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Åland ist anders

Das erste, was auffällt, sind rote Straßen und Gehwege, gelbe Straßenschilder und eigene Autokennzeichen. Denkbar in einem gemeinsamen Europa? Nicht nur das ist anders auf den Åland Inseln. Eigentlich ist fast alles anders. Der größte Archipel der Welt wartet darauf, entdeckt zu werden. Åland – Ahvenanmaa auf finnisch – das sind 6.700 Inseln – zwischen Finnland und Schweden gelegen mit rund 26.000 Einwohnern. Hauptstadt ist Mariehamn mit rund 11.000 Einwohnern. Åland gehört zwar zu Finnland, aber hier sprechen alle schwedisch. Auch die Straßenschilder sind nicht wie sonst zweisprachig.

Aland - am Ufer ©Foto: Tarja Prüss | Tarjas Blog - Reiseblog Finnland

Das Wetter kann schnell umschlagen – und Wind ist fast auch immer. Das Wetter wechselt schneller, als man seine Jacke und Mütze an und ausziehen kann. Dafür ist es eine der sonnenverwöhntesten Regionen in ganz Finnland. Mit rund 1.900 Sonnenstunden im Jahr. Aber das ist längst noch nicht alles.

Åland ist autonom

Åland hat seine eigene Flagge, eigene Briefmarken, eigene Banken, eine eigene Verwaltung, eigene Wahlen, eigenes Steuersystem, eigenes TLD-Internet-Endung .ax, eigene Spezialitäten. Denn: Åland ist anders. Åland ist autonom und demilitarisiert. Und genießt Sonderrechte. Die Ålander sind ein Inselvolk, vom Meer geprägt und beeinflusst.
Sie gelten als freundlich, aber auch eigensinnig. Sie wollen selbst bestimmen, wie sie ihr Leben und ihr Umfeld gestalten. Und auf einer Insel – abgeschottet von außen – geht das wohl leichter als anderswo. Fast jeder lebt hier vom Meer, mit dem Meer, auf dem Meer oder gegen das Meer. Was anderes bleibt einem auch nicht übrig, wenn alle paar Meter das Wasser das Land unterbricht. Man kann ihm schlicht nicht ausweichen. Für mich großartig, denn ich kann überall am Wasser sitzen, einfach den Blick schweifen lassen und er bricht sich nicht dauernd an Konstrukten menschlicher Wirklichkeit. 

Blick aus Fenster, Aland, Finnland © Tarja Prüss

Åland hat sonderbare Sitten

Åland gehört zwar über Finnland zur Europäischen Union, hat sich aber in eigenen Verträgen weitgehende Sonderrechte gesichert. Das Heimatrecht zum Beispiel, wonach nur Ålander hier Land erwerben dürfen. Fremde können nach fünf Jahren Aufenthalt einen Antrag auf Heimatrecht stellen. 
Ich staune.

Das Leben läuft hier scheinbar gemächlicher ab. Der Gang der Menschen ist langsamer. Die Geschäfte öffnen erst um 10. Am Wochenende ist vieles ganz zu. Fahrräder mieten kann man am Wochenende zum Beispiel nicht. Es gibt Hotels, die haben nur von Freitag bis Sonntag auf.
Und Busse fahren nur von Montag bis Freitag. Am Wochenende gibt es nur ein oder zwei Busverbindungen auf die anderen Inseln – einmal am Tag – und nicht mehr zurück! Dafür aber mit freiem W-Lan.

Nach nur einem Tag hab ich dieselbe Gehgeschwindigkeit oder besser -langsamkeit – wie schnell man hier runterkommt.Und als ich gestern nach einer sechsstündigen Fototour hungrig nach einem Restaurant gesucht habe, ist es mir schon wieder passiert. Ich sitze da und warte höflich auf die Bedienung. Doch die ignoriert mich geflissentlich. Zieht lieber die Tischdecken von den Nachbartischen ab.
Ich versuche ihren Blick zu erhaschen, um sie auf mich aufmerksam zu machen.
Keine Chance. Die Frau ist mit Aufräumen beschäftigt.

Detail von Segelschiff - Aland, Finnland © Tarja Prüss

Nach einer Weile fällt es mir wie Schuppen von den Haaren, wie Algen vom Kopf, wie Seesterne vom Himmel!  SELBSTBEDIENUNG!
Also gehe ich brav zur Theke und warte auf eine Bedienung. Dort eröffnet man mir, dass die Küche bereits geschlossen hat. Sie habe nur von 16 bis 19 Uhr 30 offen.
Ein Getränk könne ich noch haben. Allerdings nur in der Flasche und zum Mitnehmen, denn sie würden jetzt zumachen. Es ist 20 Uhr 30. Und ich habe immer noch Hunger. Also mache ich mich auf die Suche nach dem nächsten Lokal. Es gibt ja genug.
Doch auch hier: dasselbe Bild: GESCHLOSSEN!

Beim dritten Lokal: ihr könnt es euch denken…

Also doch hungrig ins Bett.

Aland Insel © Tarja Prüss

Ålander sind anders

Die Fußgängerzone in Mariehamn ist überschaubar, aber vermutlich die Fußgängerzone mit den meisten Bänken – locker 30 auf 30 Metern.

Ich habe den Eindruck, die Ålander sind ein freundliches und auch neugieriges Volk. Beim Fotografieren werde ich wieder und wieder angesprochen: „Ja, der Sonnenuntergang heute ist sehr schön!“ – „ Na, suchst du Pilze?“ – oder: „ Ja, der Herbst ist auch schön!“ Und dann lächeln sie mich an und gehen weiter.

Und sie verstecken ihre Neugier nicht – wenn sie jemanden anschauen wollen, dann tun sie das nicht versteckt, so wie wir das dank mütterlicher Ermahnungen „Guck da nicht so hin!“ gelernt haben. Sondern sie gucken einfach. Und direkt. In die Augen. Und ich weiß nicht, was sie dort suchen, als wollten sie ergründen, wer man ist, woher und wieso und weshalb.

22092015
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Åland Inseln

Im Cafe in Mariehamn: Schon um elf Uhr vormittags füllen sich schlagartig die Restaurants, die Mittagstisch anbieten. Es ist Mittagspause!
Am Nachbartisch sitzt ein Mann, sein zweites Bier vor sich, ein alter Seebär wie aus dem Buche – mit weißem Rauschebart und längeren weißen Haaren – lässig mit Jeansjacke und gestreiften Pulli – er redet mit sich selber und kichert in sich hinein.Wüsste ich es nicht besser, man könnte ihn auch für den Weihnachtsmann auf Inselurlaub halten, mit seinem freundlichen runden Gesicht mit hellblauen Augen. Aber er spricht die ganze Zeit schwedisch. Also doch eher der Seebär? Ein pensionierte Matrose? Ein Schatzsucher?
Manchmal klingt es, als würde er Gedichte rezitieren. Vielleicht ist er auch Literaturprofessor. Oder er hat sich einfach den Klügsten im Raum ausgesucht, um sich mit ihm zu unterhalten.

MEHR ÜBER ÅLAND FINDEST DU HIER: UNENTDECKTES JUWEL

Morgenstimmungen auf den Åland Inseln

Heute morgen bin ich vor Sonnenaufgang aufgewacht – keine Ahnung warum. Ein Blick aus dem Fenster und ich wusste: ich kann nicht mehr liegenbleiben. Zu zartrosa der Himmel, zu verlockend die Andeutungen von Wolken am Himmel. Ok – gewonnen – im Nu bin ich draußen. Das Blöde ist nur, der Sonnenaufgang ist ganz auf der anderen Seite der Insel. Ein ganz schöner Fußmarsch, vorbei an den gelben und roten Holzhäusern, die die Straßen von Marienhamn säumen.
Aber die Färbung am Himmel zieht mich förmlich vorwärts.
Die Frage ist nur, werde ich es noch rechtzeitig schaffen. Oft ist das Morgenrot nach wenigen Minuten Geschichte.
Einmal von dem einen zum anderen Ende der Insel – das braucht zu Fuß eben seine Zeit – und bis ich von dem einen Meer beim anderen Meer angekommen bin, leuchtet mich die Sonne schon an.
Auch schön! Nicht Morgenrot, aber eine Sonnenbrücke über das Wasser bis hin zu den roten Felsen am Ufer.

Und weil ja nichts umsonst ist im Leben, werde ich noch belohnt mit ein paar Kleinigkeiten, mit denen ich heute morgen auch nicht gerechnet hätte:  Pfauen! Fünf an der Zahl – und kein bisschen scheu – auf der Suche nach ihrem Frühstück. Und als wäre das noch nicht genug, kommt noch einen Schwanenfamilie bei ihrer morgendlichen Schwimmgymnastik vorbei.

Herbst Impressionen aus Finnland ©Foto: Tarja Prüss

Und zu guter Letzt machen mich die Pfauen darauf aufmerksam, dass es hier nahe am Ufer zahlreiche Pilze gibt: sogar Fliegenpilze – so schön wie aus dem Bilderbuch. Ich kann mich nicht erinnern, wann und wo ich die letzten gesehen habe.

Aber dann treibt mich der Frühstückshunger zurück – außerdem wartet eine angeheizte Sauna auf mich. Auf gehts! Noch einmal quer über die Insel.

Ach ja: Die roten Straßen kommen übrigens von dem roten Stein, der hier überall abgebaut und für den Wegebau verwendet wird.

Der alte Mann spricht immer noch unter Unterlass – zwischendurch lacht und kichert er. Aber alle anderen Gäste des Lokals ignorieren ihn auf sehr britische Art. Nur zu gern wüsste ich, worüber er spricht. Aber meine britische Höflichkeit verbietet mir, die anderen beim Essen zu stören. Später erfahre ich, dass er oft hier ist, selten ohne eine Bier vor sich – und mit sich selber spricht. Vielleicht aber ja auch mit einem für uns unsichtbaren Freund. Vielleicht ein Schiffsgnom…oder ein Wassergeist ….oder ein Meerestroll, der nicht gesehen werden will.


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FAQ zu Åland

Wie kommt man nach Åland?

Am einfachsten mit dem Schiff von Helsinki aus.

Welche Sprache sprechen die Menschen auf Åland?

Schwedisch. Ist zugleich auch Amtssprache.

Sind die Ålander Schweden oder Finnen?

Die Ålanderinnen und Ålander haben einen finnischen Pass, sprechen aber schwedisch.

Gehört Åland zu Schweden oder zu Finnland?

Åland ist selbständige Autonomie, gehört aber zu Finnland.

7 Kommentare zu „Åland ist anders“

  1. Traumhafte Bilder.
    Da will man liebsten gleich seine Sachen packen und los fahren. 🙂

    Danke für deine tollen Beiträge. Immer schön zum Lesen!!
    Mach weiter so…

  2. Traumhafte Fotos.
    Wahrscheinlich wäre so ein entschleunigter Urlaub genau das Richtige für mich. Das kommt auf jeden Fall auf die Liste mit Reisezielen!

    1. Dankeschön. Entschleunigen kann man auf Aland wirklich wunderbar! Freut mich, dass dich da die Reiselust packt und du ein neues Reiseziel entdeckt hast. Herzlich, tarja

  3. Pingback: Matka Reisemesse in Helsinki | tarjasblog.de

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