Finnland führt Regie: Salonen über ‚Tatort‘

Er ist gebürtiger Finne und lebt am Bodensee, ist Regisseur zahlreicher nationaler wie internationaler Fernsehfilme und der Krimi-Reihe „Tatort“: Hannu Salonen. Bei der Bürger-Uni der Zeppelin Universität in Friedrichshafen spricht er  über die Faszination des Filmemachens, den besonderen Reiz von Krimis und das Phänomen „Tatort“, des Deutschen liebstes ‚Krimi-Kind‘. Auch verrät er, warum es wichtig ist für ihn, nahe am Wasser zu sein.

Das Böse als Quotenhit

Im Fernsehen ist das Böse ein Quotenhit. Insbesondere der Tatort – hat noch was von Straßenfeger. Denn: Der Tatort erzielt Rekordquoten. Die am längsten laufende und erfolgreichste Krimiserie im deutschsprachigen Fernsehen.

Seit über 40 Jahren lockt die regelmäßig Millionen in Österreich, Deutschland und der Schweiz vor die Bildschirme – trotz wachsender Konkurrenz von Privaten und Neuen Medien.

Kulturgut Tatort

Doch was macht gerade diesen Krimi so beliebt?

Regisseur Hannu Salonen hat schon 11 Tatorte gedreht. Tatort ist ein KULTURGUT, sagt Salonen und sieht lustigerweise Parallelen zum Weihnachtsmann:

Ich habe auch viel darüber nachgedacht, warum das so ist. Und ich hatte irgendwann die Erklärung: Fernsehen kommt zu dir, nach Hause. Und am Sonntag kommt dieser Kommissar, zu dir, ins Wohnzimmer. Das ist sehr persönlich.  Das ist wie der Weihnachtsmann, der kommt auch persönlich zu dir und beschenkt dich. Daran muss es liegen.“

Der Erfolg der Serie basiert auch auf den Schilderungen nahe der Realität – echte Milieus, echte Schauplätze. Und: der Tatort hält uns einen Spiegel vor: er spiegelt die Gesellschaft wider, die Mentalität und aktuelle brisante Themen wie Organhandel oder Flüchtlings-schicksale.

Die TV-Fahnder sind keine Helden, eher Menschen wie du und ich – . In ihrem Versuch, das Böse zu verstehen, sind sie genauso hilflos oder erfolgreich wie der Zuschauer. Der Tatort ist so erfolgreich, dass auch Stars wie Til Schweiger sich dem offenbar nicht entziehen können.

Doch der spiele in einer anderen Liga – „unter zwei Millionen Euro Produktionskosten fange der gar nicht erst an“, frotzelt Salonen, während sonst für einen Tatort 1,4 bis 1,7 Millionen reichen müssen. Und dann fressen die Schauspieler ein Drittel des Budgets weg. Mehr als 21 Drehtage, mehr Geld, und „wir könnten bessere Filme machen“, erklärt er den enormen Druck am Set, der manchem Film eben auch anzusehen sei. Und so stichelt Salonen bei der Bürgeruni in Friedrichshafen immer wieder gegen Til Schweiger.

„Ich hab nichts gegen Til Schweiger. Gar nichts. Im Kino belegt das die Traurigkeit. Im Fernsehen passiert ganz viel, aber im Kino passiert gerade mal: Til Schweiger. Und darüber hinaus nichts. Und das ist halt arm. Arm für ein großes Land, finde ich.“

Der Geschichtenerzähler und Regisseur

Salonen selbst ist filmbegeistert – 1972 an der Westküste Finnlands geboren – beschließt er schon mit 13 Jahren, Regisseur zu werden – mit 16 gründet er einen Verein, um Kurzfilme produzieren zu können. Vier Jahre später beginnt er ein Studium an der Film- und Fernsehakademie in Berlin. Sein erster längerer Film „Downhill City“wurde als Bestes europäisches Filmdebüt prämiert.

„Das war ein langer Weg von Finnland nach Deutschland. Zuerst nach Berlin beziehungsweise Passau. Dann hat meine Frau einen Job bekommen hier in der Gegend und ich bin mitgezogen. Ich kann ja überall sein und arbeiten.“

Mittlerweile hat er über zwei Dutzend deutsche TV-Krimis und Thriller gedreht. Genres, die ihn am meisten faszinieren:

„Das hat auch was mit meiner Kindheit zu tun. Dass man die Welt mystifiziert, dass man das Gefühl hat, es gibt noch was jenseits. Und dieses Jenseits zu erkunden, das macht mir Spaß. Und es gibt auch in Menschen etwas ‚jenseits‘, andere Seiten, die man erkunden kann.“

Zu seinen neuesten Werken gehören der historische Thriller ‚Die Hebamme‘ mit Josefine Preuß in der Hauptrolle und ‚Schuld‘ von Ferdinand von Schirach mit Moritz Bleibtreu.

Die deutsche Filmindustrie sei zwar versaut und korrupt – sagt Salonen, der trotz aller Kritik mit Leib und Seele Regisseur ist – oder besser: Geschichtenerzähler.

Sein Rat: mach nur Filme, die du selber gerne anschauen möchtest.

So auch mit dem finnischen Kinofilm Vares, der gerade angelaufen ist.  Erzählt wird DARIN: die Geschichte des Privat-Detektivs Jussi Vares, der den wahren Herrscher der kriminellen Unterwelt im Lande ausmachen soll, den ominösen „Sheriff“, von dem man nicht einmal weiß, ob er wirklich existiert.

Die große Leinwand & Leben am Wasser

Worin liegen die größen Unterschiede zwischen Kino und Fernsehen?

„Kino ist viel komplexer, vom Technischen. Sonst ist der Unterschied nicht so groß. Aber das Fernsehen erreicht mehr Zuschauer. Also wenn ich in Finnland erzähle, ein Film von mir hat mehr als 10 Millionen Zuschauer gehabt, die fallen ja um. Und das mit einer Ausstrahlung. „Tango mit Borowksi“ hat bis jetzt, glaube ich, 25 Millionen Zuschauer erreicht. Mit einem Kinofilm ist das nicht so ohne weiteres möglich.“

Salonen ging schon in jungen Jahren aus Finnland weg, weil ihm das Land zu homogen und mentalitätsmäßig zu eng wurde. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern in Konstanz am Bodensee. Am Wasser zu leben ist für den gebürtigen Finnen nach wie vor wichtig:

„Das ist tatsächlich ein interessanter Punkt. Ich liebe Wasser und es scheint mir gut zu tun, wenn ich am Wasser bin. Also insofern ist es nicht von ungefähr, dass wir hier am Wasser wohnen.“

Hat wohl auch mit der finnischen Herkunft zu sein. Die Finnen verbringen ja gern den Sommer im Mökki (Ferienhaus) am See.

„Diesem Klischee entspreche ich vollkommen. Der Finne, DER Finne, der Allgemeine, den man so kennt, der verbringt wirklich viel Zeit an Seen.“

Sein Traum ist jedoch das ganz große internationale Kino. Ein Traum, der schon in Arbeit sei:

„So ein großer historischer Stoff, das ist schon toll. Auf der anderen Seite möchte ich auf der großen, internationalen Bühne präsent sein – mit einer Serie oder einem Produzentenfilm. Über den deutschsprachigen Raum hinweg, das wäre mein Zukunftstraum.“

Und dann wie der bekannte finnische Regisseur und Filmemacher Aki Kaurismäki eine gutgehende Kneipe in Helsinki betreiben:

„(lacht) Lustigerweise hatte ich gerade einen finnischen Produzentenkollegen, der elf Restaurantbeteiligungen in Helsinki hat. Ja, das ist eine lustige Anekdote mit der Kneipe. Wohne ja in Deutschland, insofern müsste das einer meiner Brüder machen. Aber eigentlich wärs schon chic!“

 

3 Kommentare zu „Finnland führt Regie: Salonen über ‚Tatort‘“

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