sonnenuntergang herbst finnland

Merke….Teil 2: Finnische Ehrlichkeit

Manche Strecken sind so schön, dass man sie gleich dreimal befahren muss oder darf. Oder bin ich der Idiot des Tages?

Oravainen, Finnland. Copyright: tarja prüss
der See am Rastplatz

Ich war unterwegs von Lehmäjoki nach Oulu. Als ich nach gut einer Stunde die unbefestigten glatten Lehmstraßen verlassen hatte und auf die E8 kam, gönnte ich mir an einem Rastplatz direkt an einem See einen frischen dampfenden Kaffee. Die Westküste ist einfach wunderbar!

IMMER GERADEAUS

abendlicht finnland
Finnische Ehrlichkeit an der Westküste ©Foto: Tarja Prüss | Tarjas Blog – Alles über Finnland

Ab jetzt wars einfach: gut 300 km auf dieser Uferstraße bleiben, die am Meer entlang führt. Da kann man sich nicht verfahren. Gut für mich. 300 km Landstraße, wobei mittlerweile Winter-Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h gilt. Die alle auch brav einhalten, weil alle paar Kilometer eine Radarfalle steht. Und jedes Mal, wenn rechts oder links eine Straßenabzweigung in einen kleinen Ort führt, wird man auf 60 km/h runter gebremst. Man muss ständig höllisch aufpassen, dass man nicht zu schnell wird.

copyright: tarja prüss
Nach drei Stunden legte ich eine Pause ein. Hier, mit diesem schönen Meerblick. Ein Supermarkt erinnerte mich daran, dass mein Kühlschrank in Oulu noch gefüllt werden will. Gedankenreihenfolge: nein. Du wirst doch nicht. Kannst du so blöd sein? Nein! Nur die Ruhe. Weitersuchen. Er wird hier irgendwo sein. Das darf nicht wahr sein! Doch. Mist. Wo war denn überhaupt dieser Rastplatz…? In welchem Ort…?

LEISE  PANIK BRICHT AUS

Ich suchte auf der Karte, dann im Internet, schließlich hatte ich die Telefonnummer und rief dort an. Sah mich in Gedanken schon alle Karten sperren lassen, Polizei – Verlustanzeige, Ausweis und Führerschein neu beantragen. Ich wischte die Gedanken fort.

Nein, du bist in Finnland!

Da gibts nur ehrliche Menschen!

Hatte mir mein Onkel doch erzählt, man habe gerade einen Test gemacht in Europa: Welche Nation ist die Ehrlichste? Jeweils 12 Geldbeutel wurden ausgelegt. In Spanien wurden zwei zurückgegegeben, in Finnland elf.

(http://www.presseportal.de/pm/32522/2562398/berlin-in-sachen-ehrlichkeit-nur-mittelmass)

„Hei Tarja!“
sagte der Typ vom Rastplatz am Telefon, als würden wir uns schon ewig kennen. Und bevor ich fragen konnte, fügte er auf finnisch hinzu: „Du hast deinen Geldbeutel hier vergessen.“ Sollte ich es nicht rechtzeitig bis Ladenschluss schaffen, sollte ich einfach anrufen. Er würde dann auf mich warten.
 
Also: umdrehen. Drei Stunden in die Gegenrichtung. Den GANZEN WEG zurück. Immer geradeaus, nur mit 80 und 60 und Wald und Wasser und LKWs.

copyright: tarja prüss
Dafür rissen plötzlich die Wolken auf, ich bekam noch einen Sonnenuntergang zu sehen, nachdem es den ganzen Tag über bedeckt gewesen war. Um halb vier am Nachmittag. Danach wurde es dunkel. Stockdunkel! Genau das hatte ich vermeiden wollen. Aber es half ja nichts. Würde mein Benzin überhaupt reichen? Aber nach dieser guten Erfahrung mit der Raststätte würde mir eine Tankstelle das Benzin sicher vorschießen, ich käme ja noch mal wieder. Schließlich musste ich nicht nur die drei Stunden zurückfahren, sondern dann auch wieder in der richtigen Richtung antreten.

Am späten Abend war ich dann daheim. Elf statt viereinhalb Stunden hatte mein Trip gedauert. Die Strecke im Dunkeln zu fahren war zäh, ermüdend und anstrengend. Denn die Dunkelheit ist dunkler als bei uns.

raststaette westkueste finnland

Aber ich hatte meinen Geldbeutel wieder. Hatte ihn auf dem Klo liegengelassen. Es fehlte nichts. Was nicht anders zu erwarten war.

  Also: MERKE: …naja, wisst ihr selbst.  


Und im Übrigen: Elch-Warnschilder sind keine Touristenattraktion.

 

Aus dem Ehrlichkeits-Test:

„Finnen sind von Natur aus ehrlich, das ist ein nationaler Charakterzug“, meint der 27-jährige Wirtschaftsstudent Lasse Luomakoski. Er hatte das verlorene Portemonnaie in der Fußgängerzone Mikonkatu im Zentrum Helsinkis gefunden. „Wir leben in einer relativ kleinen, unaufgeregten und eng verwobenen Gemeinschaft. Bei uns gibt es kaum Korruption, nicht einmal über eine rote Ampel würde ein Finne fahren“, so der Student.“

 

3 Kommentare zu „Merke….Teil 2: Finnische Ehrlichkeit“

  1. Du Arme, das muss zunächst ein höllischer Stress gewesen sein.
    ….dann die Ruhe zu bewahren, das Naheliegende, Richtige tun….
    Ein Missgeschick, das jedem passieren kann, endete schließlich mit der guten
    Erkenntnis:
    Du bist in einem Land mit wunderbaren Menschen !

  2. ich hätte sogern gehört, wie Du auf Finnisch Deine Karten sperren läßt –
    enttäuschend schon im Titel des links zu lesen „Berlin in sachen Ehrlichkeit nur Mittelmaß“ – schon am eigenen Leib erfahren – mit Kellnergeldbeutel, mußte dringend telefonieren, Zeiten vor den persönlichenHandy, bin in einen Friseur Salon, nachher war es KEINE gewesen, 1200 DM futsch …
    Auf nach Finnland! PISA auch für EHRLICHKEIT!

  3. WOW – die Geschichte von Charly Brown – echt berührend. Und so schöööööne Fotos!! Danke für Deinen blog – freu mich, alles nachlesen zu können.
    magda

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