Kaffeekanne über offenem Feuer. Restaurant Sarakka in Ylläsjärvi Lappland Finnland ©Tarja Prüss | Tarjas Blog

Die Elfe des Lebens und wie Bärenmus dazu passt

820 km Luftlinie Von Helsinki bis nach Kittilä in Lappland. Das ist ungefähr so weit wie von Flensburg nach Salzburg. Der A 321 war vollbesetzt. Alle auf dem Weg nach finnisch Lappland.
Durch die stockdunkle Landschaft rast der Bus über vereisten Straßen. Und wirft uns irgendwo im gefühlten Nirgendwo raus.

Köchin Jaana Sara erwartet uns. Sie steht neben dem offenen Feuer und schlägt sanft auf eine Handtrommel. Zusammen mit der spärlichen Beleuchtung, das Feuer wirft noch am meisten Licht ab, erzeugt das eine eigentümliche, fast mythische Stimmung. Das Lokal ist leer. Nun ja, es ist auch schon bald Mitternacht.

Wir sind in Ylläsjärvi, eine halbe Autostunde von Kittilä entfernt. Ganz nah am gleichnamigen See, in der Dunkelheit trotz des vielen Schnees um uns herum jedoch nicht mal zu erahnen.

Restaurant Sarakka in Ylläsjärvi Lappland Finnland ©Tarja Prüss | Tarjas Blog

ESSEN IN LAPPLAND - SARAKKA

Das Lokal heisst SARAKKA – genauso wie eine der drei Töchter von Madrakka, die Mutter der Elfen, die Göttin von Erde und Feuer, nach der alten Mythologie der Sami.
Sarakka war angeblich die beliebteste Göttin bei den Sámi; sie stand den Frauen bei den Entbindungen bei und war für die Mädchen zuständig. Sarakka, die Elfe des neuen Lebens, des Vertrauens und des Feierns.

Verschiedene Versionen sind überliefert. Eine davon besagt, dass Sakkara stets bei der Feuerstätte in der Hütte aufhalte. Diese Gottheit hatten die Samen ständig in ihrem Herzen und auf der Zunge. An sie richteten sie Gebete und Hilferufe und brachten ihr Opfer dar.

Restaurant Sarakka in Ylläsjärvi Lappland Finnland ©Tarja Prüss | Tarjas Blog

KÜCHE IN LAPPLAND

Das Restaurant ist ein Familienbetrieb, der seit 2000 besteht. 2006 wurde das Hütten-Restaurant gebaut. Es gleicht einer großen Kota, nach oben hin spitz zulaufend wie ein Trichter. Küchenchefin Jaana Sara bereitet derweil das Essen auf dem offenen Feuer zu, während wir erzählt bekommen, dass es ihre Idee war, im Lokal das anzubieten, was sie selber gerne essen.

So gibt es Salat mit geräuchertem Rentier, Bären-Mus mit Cranberry Sauce, Kaviar vom Weißfisch und selbstgebackenes Brot.
Ich kenne nichts von dem und bin überrascht, wie erlesen die Vorspeisen schmecken. Der Bären-Mus schmeckt im übrigen gar nicht nach Bär. Zumindest nicht so wie man es erwarten würde, nach Wild, sondern mehr wie Rindfleisch-Tartar.

Jaana Sara bereitet unterdessen den Hauptgang vor und schürt noch einmal das offene Feuer, auf dem sie gleich neben unserem Tisch in der Kota kocht. Die Flammen werfen flackernde Lichtscheine in unsere Richtung. Im Hintergrund läuft samische Volksmusik vom Band.

Es ist fast so dunkel wie in finnischen Saunas. Man traut sich kaum, laut zu sprechen.
In Jaana Saras Gesicht kann man wenig lesen. Sehr konzentriert und ruhig wirkt sie, wie sie da am Feuer steht. Man vermisst fast die normale Hektik, die sonst in Profiküchen herrscht.

Die Jagd

Ganz anders Janne Haarme, Marketingchef von Visit Ylläs. Er erzählt mir unterdessen vom Jagen. Jagen ist beliebte Praxis in Lappland. „Fast jeder ab 15 Jahren tut es.“

„Wir in Lappland kaufen Fleisch nicht im Laden. Wir jagen es selber oder wir kennen einen Freund oder einen Nachbarn, von dem wir Fleisch beziehen können.“
Die Gefahr der Überjagung bestehe jedoch nicht. Denn die Zahl der Jagdlizenzen sei begrenzt. Dadurch sei garantiert, dass der Bestand stabil bleibe. Zumal Elche und Bären keine natürlichen Feinde mehr haben. Für Elche gebe es vielleicht zehn Abschussgenehmigungen pro Jahr. Mehr nicht. Dasselbe bei Bären.

Janne weiß, dass Jagen in anderen Ländern ein heikles Thema ist. Trophäen-Jagd etwa gäbe es in Finnland nicht. Aber in Lappland sei es eben auch ein Weg, um in Kontakt mit der Natur zu bleiben.

300.000 Menschen in Finnland haben einen Jagdschein. Wer eine eigene Waffe besitzen will, muss nach finnischem Recht jahrelang in einem Verein unter Aufsicht den Umgang mit der Waffe trainiert haben. Die EU will die Waffengesetze verschärfen und stößt in Finnland auf Gegenwehr. So verbietet das neue EU-Waffengesetz etwa finnischen Reservisten die Aufbewahrung der Gewehre zu Hause. Finnland hat noch knapp ein Jahr Zeit, die Neuregelungen umzusetzen. 

Beerige Geheimplätze

Für Jagen ebenso wie fürs Fischen gelte der Grundsatz: wir bekommen unsere Nahrung von der Natur! Im vergangenen Sommer hat Janne genügend Beeren im Wald gesammelt, die ihm locker noch bis in den Monat Mai hinein reichen.

Beeren wachsen mehr als genug. Dennoch hat jeder hier seine geheimen Spezialplätze, die er niemandem verrät.“
„Unsere Nahrung, unsere Umgebung ist lokal, frisch und sauber. Wir haben die sauberste Luft und das sauberste Wasser.“ Und man hört, dass sie stolz darauf sind. Auch wenn es mittlerweile ein Werbeslogan ist (‚We have the purest air in Europe‘), bleibt der Satz dennoch wahr.

Im Mai ist ganz Lappland geschlossen

Die Region Ylläs verfügt über 50.000 Betten. Der Großteil der Gästekapazitäten verteilt sich auf Hotels. „Wir haben viel Platz und wenige Hotels,“ sagt Janne. Es gebe einige wenige große Tourismusbetriebe, der Rest seien kleine Familienunternehmen.

„Wenn die Zahl der Touristen wächst, dann müssen auch Qualität und Preise wachsen.“ Hochsaison ist von Dezember bis Ende März. „Im Mai ist ganz Lappland geschlossen.“
Nach der Saison machen alle erst mal Pause, gehen in Urlaub oder beginnen mit kleineren Renovierungsarbeiten.
Die Zahl der Touristen, die im Sommer und Herbst kommen (Juli-September) beträgt nur die Hälfte dessen, was im Winter an Gästen nach Ylläs kommt.

Süßgrass

Zum Hauptgang serviert Jaana Sara eine Art finnisches Risotto aus Gerste mit Rindfleisch und Gemüse. Eine Spezialität von ihr sind verschiedene aus Kräutern hergestellte Gelees, Öle und Lotionen. Die verkauft sie auch auf Märkten und Messen und verwendet sie in ihrer eigenen Küche. Pancakes mit Brennessel etwa, die dann eine leicht salzige Note bekommen und viele Vitamine enthalten.

Oder eine Soße aus Nordischem Süßgras, auch bekannt als Duftendes Mariengras (finnisch: maarianheinä). Eine Pflanze, die für die Indianer heilig ist. Ein besonders wohlriechendes Gras, erinnert an eine Mischung aus Vanille und Waldmeister, frisch auf jeden Fall, fast wie Seife.

Jaana Sara fügt dem nichts hinzu. Lächelt auch nicht, kocht stattdessen konzentriert und mit einer fast buddhistischen Ruhe weiter über dem Holzfeuer.

SÜSSES ESSEN IN LAPPLAND

Zum Nachtisch gibt es schließlich Crème brulée mit arktischer Beeren-Soße und Blaubeer-Sorbet. Dazu traditionell über dem Feuer gekochter starker schwarzer Kaffee.
Und damit wir uns angesichts der vielen Kalorien nicht schlecht fühlen müssen, erklärt man uns noch schnell, dass die lappländischen Moltebeeren 20 mal so viel Vitamin C haben wie eine Orange. Echtes Superfood also!
Und der Kaffee wird in Kuksa-Tassen serviert.

Beeren Dessert. Restaurant Sarakka in Ylläsjärvi Lappland Finnland ©Tarja Prüss | Tarjas Blog

Leichtes Gepäck und Mariengras

„In Lappland brauchst du auf Wanderungen keine Wasserflasche mitschleppen. Kuksa reicht. Überall am Fluß oder am See kannst du damit Wasser schöpfen,“ erklärt Janne. Im Idealfall kaufe man auch keine Kuksa, sondern fertige sie selber aus einem Stück Holz oder bekomme sie an einem Ehrentag geschenkt. Der Legende nach sollte man sie mit Whisky einweihen. Aber so ganz bin ich da nicht mitgekommen. War vermutlich zu sehr mit dem Dessert beschäftigt.
Was ich aber sehr wohl mitbekomme, ist, dass die Menschen in Lappland gerne Geschichten erzählen.

Der Wind, der von den Hügeln kommt, bleibe übrigens jahrelang in den Blättern und Zweigen des Mariengrases. Heilig heilig. Nicht ohne Grund wird das duftende Gras auch zur Herstellung von Parfums verwendet.

Mit dem Wohlgeruch in der Nase falle ich ins Bett und träume von duftenden Gräsern, sich wiegend im sanften Sommerwind.

 

Text & Fotos: Tarja Prüss

Aber es gibt auch noch ein anderes Lappland:
ein aufregendes, lautes, den Puls  hochjagendes, Glückshormone-ausschüttendes Lappland.
Das Lappland der PS und des Adrenalins!


Mit herzlichem Dank an Visit Finland, die meine Reise nach Lappland unterstützt haben.

Nichts mehr verpassen? Folge mir auf: 

Follow

9 Kommentare zu „Die Elfe des Lebens und wie Bärenmus dazu passt“

  1. Rick Müller-Höhn

    Hi Tarja,
    ich freue mich jedesmal sehr über deine Blogbeiträge, denn durch deine ausdrucksvollen Inhalte bringst du stets ein Stück Finnland in mein Haus.

    Paljon kiitoksia ja hyvää jatkoa
    Rick

    1. Lieber Rick, vielen Dank! Und du erinnerst mich daran, warum ich das tue und weshalb ich es so gern mache! Ich hoffe, es geht vielen anderen auch so. Hauskaa päivän jatkoa 🙂

  2. Hej Tarja!

    Freue mich sehr über deine Berichte. Finnland ist wirklich ein sehr schönes Land. War mehrfach dort und genieße es jedes Mal. Und als einen ganz wichtigen Besuchspunkt betrachte ich immer Oulu. Der Markt am Hafen ist einzigartig und das ganze Flair dieser Stadt. Auch in diesem Jahr werde ich mit dem Wohnwagen nach Finnland fahren und mit Sicherheit Oulu besuchen. Das schöne ist, ich habe es nicht so weit. Brauche nur von Schweden anreisen.

    Viele Grüße
    Jochen

    1. Hej Jochen!
      Tack så mycket für den netten Kommentar! Du bist ein Glückspilz! Kannst einfach mal schnell „rüber schippern“ ins „gelobte/-liebte Land“. 🙂
      Für mich geht es auch bald wieder nach Oulu und ich kann es kaum mehr erwarten. Oulu hat für mich eine ganz besondere Bedeutung, zumal meine Mama von dort kam. Nallikari ist ein wunderschöner Platz für Wohnwagen und Wohnmobile. Man ist gleich am Wasser. Herzliche Grüße nach Schweden, tarja

  3. Pingback: NordNerds Monatsrückblick Februar 2018 - nordlandfieber

Kommentarfunktion geschlossen.

Nach oben scrollen