Finnland: Sisu-Tatoo auf Hand © Tarja Prüss

Lappland: PS und Adrenalin

Rallye Finnland: Reifen mit Spezial-Spikes (© Tarja Prüss)
Rallye Finnland: Reifen mit Spezial-Spikes (© Tarja Prüss)

Rallye in Lappland  ? Lappland, das ist doch vor allem Natur und Weite und Stille. So wie heute: egal, wie oft und wie lang man das Auge über die Landschaft schweifen lässt, es vermag nur zwei Farben zu entdecken: weiß und schwarz. Die Landschaft ist eingehüllt in einen dicken weißen Teppich, zu dem sich jede Minute neue weiße Schneeflocken vom Himmel gesellen. Der Himmel selbst unterscheidet sich farblich kaum. Gäbe es nicht die einzelnen schwarzen Baumgruppen, man wüsste nicht, wo der Horizont endet und der Himmel beginnt.

Aber es gibt auch noch ein anderes Lappland:

ein aufregendes, lautes, den Puls hochjagendes, Glückshormone-ausschüttendes Lappland.

Das Lappland der PS und des Adrenalins!

1. Motorsport in Finnland

DSC00438Finnland ist seit jeher motorsportbegeistert und hat für die wenige Zahl an Einwohner überproportional viele bekannte Rennfahrer hervorgebracht. Die „Rallye der 1000 Seen“ gehört zum festen Weltmeisterschafts-programm. Und vielleicht sind es genau diese Schotterstraßen, die die Finnen auf die Idee gebracht haben – mutmaßt zumindest Patrick, Trainer, Test- und Rallyefahrer. Doch davon später noch mehr.

Für Rallyes in Finnland gibt es zahlreiche Möglichkeiten, um sich auszutoben.

2. Ice-Karting in Levi

Rallye Finnland: Ice-Karting in Levi (© Tarja Prüss)
Ice-Karting in Levi (© Tarja Prüss)

Starten kann man beispielsweise mit Ice Karting: Gokart-Fahren auf Eis. Die Reifen haben kleine Spikes und man kann schön sliden und driften. Die passende Wärmebekleidung, angefangen von Thermoanzügen bis hin zu Helm und Handschuhen, gibt es praktischerweise gleich beim Anbieter.

Und der ist nicht irgendwer – er ist Doppel-Europameister, Achter bei der Weltmeisterschaft und finnischer Meister im Gokartfahren. Janne ist motosport-begeistert,  ein Verrückter, wenn es um Motoren, PS und Powersliding geht. Und seine Freunde haben so bekannte Namen wie Mika Häkkinen oder Kimi Räikkönen. Janne wollte auch in der Formel 1 fahren, hat aber den Absprung nicht geschafft.  Sein Kollege erzählt, es lag am fehlenden Geld, um groß in die Formel 1 einzusteigen.

Rallye Finnland: Ice-Karting in Levi (© Tarja Prüss)
Ice-Karting in Levi (© Tarja Prüss)

Janne hat dafür diese Ice Cart Bahn. Und viel Spaß damit. Als sie sie vor wenigen Monaten, als es kalt genug war, aufgebaut haben, hatte die Eisbahn 50 Zentimeter Durchmesser. Jetzt fahren wir schon fast auf dem Grund. So stark haben die Spikes, das Gleiten und Rutschen dem Eis mittlerweile zugesetzt.

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Aber als Einstieg ist es wirklich gut geeignet. Die Geschwindigkeit ist überschaubar, wenn man sich um seine eigene Achse dreht, wird einem nicht gleich schlecht und man verliert nicht die Orientierung. 😉 Alle anderen sind selbstverständlich schneller als ich. Ich werde von lauter Bernds mal rechts mal links überholt. Aber immerhin: ich falle nicht raus. Ist doch schon mal was.

3. Porsche Testgelände: Fahren wie die Profis

Aber großen Jungs reicht das natürlich nicht. Porsche, Audi und BMW haben hier Testgelände. Und sie bieten Rallyes in Finnland an. Das Porsche Testgelände in der Region Levi in Lappland umfasst unglaubliche 500.000 Quadratmeter. „Es ist so groß, dass wir zwei Restaurants auf dem Gelände haben,“ erzählt Keijo augenzwinkernd. Keijo ist Test- und Rallyefahrer. Er weist die angehenden Rennfahrer ein, die hier für ein paar Stunden das Fahren auf Eis und Schnee hautnah erleben wollen.

Rallye Finnland: Testgelände in Levi (© Tarja Prüss)
Rallye Finnland: Testgelände in Levi (© Tarja Prüss)

Die Autos haben mehr Spikes als normale Winterreifen: 8 mm lang, 350 Stück pro Reifen. Wer einen Unfall verursacht, ist mit 600 Euro Eigenbeteiligung dabei. Keijo erklärt anhand von Skizzen, wie die ideale Linie beim Fahren aussieht, an welcher Stelle man am besten bremst und warum der kniffligste Part das Driften ist.

Sehr gelassen und ruhig geht jeder der Piloten an den Start. Ganz cool. Selbstverständlich. Und dann geben sie Stoff: die Motoren jaulen auf, Rutschen, Sliden, Driften, der Schnee spritzt nur so hoch in den Kurven, die Autos aus der Spur, drehen sich seitlich in den Kurven.

4. Rallye in Lappland: Nervenkitzel pur

Die Rallyeautos haben es in sich. Und wenn die Piloten dann wieder aussteigen, dann blitzt es in ihren Augen. Dann sind aus den großen starken Männern kleine Jungs geworden, die aus einem heißgeliebten Spielzeug aussteigen. Leuchtende Augen, strahlende Gesichter, breites Grinsen. Rennfahrer eben.

„Genial!“, so der Kommentar von Bernd, als er sich freudestrahlend aus dem engen Sitz schält.

Die selbst gedrehten Runden bieten viel Stoff für die anschließende Auseinandersetzung, wenn die schwierigsten Kurven noch einmal detailliert mit der richtigen Portion Humor und ausreichender Menge Selbstironie nachbesprochen und analysiert werden.

Die Stimmung ist ein bisschen wie auf einem Kindergeburtstag, bei dem jeder mal das neue Kettcar ausprobieren darf, das nach links fährt, wenn man nach rechts lenkt.

Sieger ist der schnellste über zwei vorher festgelegte Runden.

Rallye in Lappland: Die Sieger ©Foto: Tarjas Blog

Die Rallye bietet außerdem für den Geschwindigkeits- und Technik-Freak den schönen Nebeneffekt, dass man alle technischen Gadgets, von der Handykamera bis zur Helmkamera mal im Härtetest ausprobieren kann.

5. Geschwindigkeitsrausch: wie im Eiskanal

Seppo ist wie Keijo Rallyefahrer und zeigt uns, wie ein Profi über diese Strecke fegt. Gut, dass die Gurte so festgezurrt werden, dass Bewegen unmöglich und flaches Atmen nur noch eingeschränkt möglich ist.

Das Cockpit ist eng. Und heiß. „Don’t touch anything, otherwise we land in the forest,“ (Nichts anfassen, sonst landen wir irgendwo im Wald) ermahnt mich Seppo verschmitzt. „And now just relax and enjoy!“ (Und jetzt entspann dich und genieß es) – Ha, leichter gesagt als getan.

© Tarja PrüssVollspeed brettert Seppo über die Eisstrecke, die mehr Kurven als Geraden hat. 225 PS, Höchstgeschwindigkeit 160 km/h auf diesem Rundkurs. Der Benzingeruch ist so intensiv, als würde man ihn direkten Weges inhalieren. Ich habe das Gefühl, wir bewegen uns mehr seitlich vorwärts, der Schnee spritzt gegen die Fensterscheiben, die Bäume rasen an uns vorbei und ich finde, sie stehen ohnehin viiiel zu nah an der Strecke.

Überhaupt sind die Schneewände und alles andere viel zu nah an der Strecke, und die Fahrbahn selbst viel zu schmal und zu kurvig und zu…. ab es hilft nichts, Seppo rast und wechselt schneller zwischen Gas und Bremse als ich schauen kann. Das Lenkrad dreht er schneller hin und her als ein Kreisel sich um seine eigene Achse. Eine Achterbahnfahrt auf dem Freimarkt ist n Dreck dagegen.

Möchte nicht wissen, was da in wenigen Minuten durch die Spritleitungen gejagt wird. (Später erfahre ich, es sind schätzungsweise – je nach Fahrweise – 70 Liter auf 100) Seppo rast volle Pulle auf die Bäume zu. Mein Herz pocht mir bis zum Hals. Ab und zu (oder auch öfter) entrutscht mir ein Aufschrei, aber das scheint Seppo nur noch mehr anzuheizen. Keine Ahnung, wie er das macht, irgendwie kriegt er immer die Kurve, auch wenn wir dahinrauschen wie ein Rodel im Eiskanal.

Hier gehts zum Video:

Video PS und Adrenalin

 

Gegen Ende sind noch zwei drei Hügel eingebaut und wir fliegen durch die lappländische Winterlandschaft,  beim Aufprall knackt es dermaßen laut, dass ich fest davon überzeugt bin, jetzt bricht das Auto auseinander.

Meine Aufregung legt sich erst, als ich längst wieder festen Boden unter den Füßen habe.

6. Volle Pulle Pole-Position

Rallye in Lappland: Das Auto ©Foto: Tarjas Blog

Bei einer späteren Fahrt bricht tatsächlich die Hinterachse und ein Reifen steht seltsam seitlich ab. Unfreiwilliger Boxenstopp. Totalausfall für diesen Nachmittag. Seppo steigt aus, lacht und steigt einfach ins nächste Auto ein, das er dann quält.

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Rallye auf dem Testgelände

Ab und zu geht eben auch mal was zu Bruch, oder wird verfriemelt, wie eingefleischte Insider zu sagen pflegen.

Nach zehn ansonsten unfallfreien Runden mit Spitzengeschwindigkeiten von 160 km/h steigt er zufrieden und grinsend aus.

Schweißperlen rinnen seine Stirn herunter und als er den Helm abnimmt, raucht sein Kopf in der kalten Winterluft Lapplands, so, als käme er direkt aus der Sauna.

7. Driving experience

Wer seine Erfahrungen noch vertiefen möchte, der kann sich beim Driving experience anmelden. Volkswagen veranstaltet sogenannte „4 Motions Driving Experience“  – eine Mischung aus PR und Fahrsicherheitstraining. Zur Auswahl stehen die neuesten VW-Modelle. Alle in weiß – die neue Trendfarbe in Finnland. Auch andere Automobilfirmen bieten das immer mal wieder an.

Seit vergangenem Jahr zeigt das Automobilunternehmen hier kostenlos, was die neuen Modelle technisch alles drauf haben, damit man nicht aus der Spur kommt. Selbst bei widrigen Straßenverhältnissen mit Schnee und Eis.

Wir dürfen den neuen Passat testen: ein 2-Liter-Doppelt-Turbo-Diesel mit 240 PS und 500 Newtonmeter Vortrieb. Automatik. Mit Stand- und Motorheizung, die per Fernbedienung gesteuert werden kann, und viel Technik an Bord.

8. Mit dem Auto auf dem zugefrorenen See

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Navi-Beweis: auf dem See

Mit diesem 1.720 Kilo schweren Gerät gehts auf den zugefrorenen See, den Ylläsjärvi. 60 bis 100 Zentimeter dick soll die Eisdecke sein. Oder gewesen sein. Haben wir nicht gerade Tauwetter?

Ein paar Leitkegel oder Pylonen oder wie immer man sagen will, also Hütchen stehen auf dem See und die gilt es zu umfahren: Slalom, so schnell wie möglich und dann mit 60 km/h den mal wieder viel zu nah stehenden Hütchen ausweichen und Vollbremse. Und dann mit 80 km/h Vollbremsung auf dem Eis. Und dann noch im Kreis Schleuderkurs fahren. Patrick erklärt uns, was es zu beachten gibt, damit man nichts ‚verfriemelt‘. Und schon gehts rund – im wahrsten Sinn des Wortes!

Patrick kommt aus Vantaa im Süden des Landes und macht viele solche Fahrtrainings und fährt auch selber Rennen. Drei Wochen ist er insgesamt in Lappland, um die Marke bekannter zu machen und die finnischen Fahrer sicherer. 650 Autofahrer haben sie seit vergangenem Jahr geschult. Keine schlechte Idee, zumal die Straßen hier seit Tagen völlig vereist sind, was hier aber völlig normal ist, den Verkehr in Deutschland aber vermutlich völlig zum Erliegen bringen würde.

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Die ausgeklügelte Technik verhindert all zu heftiges Ausbrechen, im Gegenteil: das Auto bringt einen wieder auf Spur. Trotzdem ist es eine neuartige Erfahrung, so voll in die Eisen zu steigen, zu rutschen, gegenzulenken und am Leben zu bleiben! …haha…

Wenn mans mal raushat, machts richtig Spaß. Fahrtipps und Fahrsicherheitstraining in einem. Natürlich will VW seine Marke damit bekannter machen, allerdings gehören sie ohnehin schon zu den Top 4 der meist verkauften Autos in Finnland, der Golf war vergangenes Jahr das meist verkaufte Auto.

Ich bin ja an und für sich eher der defensive Fahrer, und wenn man es sich genau überlegt, ist es umwelttechnisch vielleicht ein wenig fragwürdig, und politisch korrekt vielleicht auch nicht gerade – aber ich muss zugeben: es macht höllisch Spaß!

 

Weitere Infos zu all den Motorsport-Aktivitäten und Safaris gibt es hier:

http://www.polarlichtexpress.de

https://www.levi.fi

http://www.levirallycenter.fi/en/rally-center-en

http://www.volkswagen.fi

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Das Renn-Team

Weitere Geschichten aus Lappland hier:

– Johanna und ihre Rentiere

– Lady Aurora bittet zum Tanz

– Langlauf durch unendliche Stille

– Lappland ohne Worte

– stürmische Nacht

3 Kommentare zu „Lappland: PS und Adrenalin“

  1. jaana morgengruen

    Scheint ein männliches Vergnügen ohne Gedanken an Umwelt, Klimawandel, Enkeltauglichkeit odrr etwaiger Konsequenzen….
    noch eine Tüte Chips in unseren Kosmos der Bequemlichkeit und des Vergnügens! Nach mir den Achsbruch!

    1. Ich gebe dir Recht, alles hat seine zwei Seiten – der Tourismus ist hier neben der Rentierzucht ein wichtiges Standbein – und die Menschen in dieser Region leben eben auch von Ski- und Wintertourismus mit Action und Abenteuer…

  2. Pingback: Lappland Impressionen

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