Theaterprobe für "Der wunderbare Massenselbstmord" nach dem gleichnamigen Roman von Arto Paasilinna ©Foto: Tarja Prüss | Reiseblog Finnland

Theater: Der wunderbare Massenselbstmord

Der größte Feind der Finnen ist die Melancholie.
Der vielstimmige Sprechchor haut mir die Worte um die Ohren.
Mittsommer, die Schlacht beginnt. Die Finnen ziehen in den Kampf.

Das Theaterstück „Der wunderbare Massenselbstmord“ nach dem Roman des finnischen Bestseller Autors Arto Paasilinna beginnt mit einer Einführung in die finnische Verfasstheit, ein kurzer, tiefer, dafür heftiger Einblick in die finnische Seele.

Theaterprobe für "Der wunderbare Massenselbstmord" nach dem gleichnamigen Roman von Arto Paasilinna ©Foto: Tarja Prüss | Reiseblog Finnland

Skurriler Humor

Paasilinnas wunderbarer Massenselbstmord ist skurril, manchmal grotesk, an vielen Stellen absurd…und zum Schreien komisch.
Bei einer der letzten Proben vor der Premiere am Donnerstag habe ich mich weggeworfen vor Lachen.
16 Amateur-Schauspieler der Theatergruppe Anart in Hard haben monatelang geprobt, unter Leitung der Theaterregisseurin Dagmar Ullmann-Bautz.

„Minä olen Vilma Aalto“, ruft eine immer wieder dazwischen. Die verwirrte Frau findet sich nicht zurecht im Leben. Gespielt wird sie von Jenni Hurme, die einzige „echte“ Finnin in dem Stück.

Theaterprobe für "Der wunderbare Massenselbstmord" nach dem gleichnamigen Roman von Arto Paasilinna ©Foto: Tarja Prüss | Reiseblog Finnland
Jenni Hurme als verwirrte Vilma Aalto

Finnisches Blut

„Es war schon immer mein Traum, Theater zu spielen,“ sagt Jenni. Weil deutsch nicht ihre Muttersprache ist, habe sie sich aber bisher nicht getraut. Der Zufall brachte sie schließlich zusammen, das Theater und sie. Wegen der richtigen Aussprache all der finnischen Namen bat die Regisseurin die ÖFG (Österreichisch-Finnische Gesellschaft Vorarlberg) um Hilfe. Und deren Präsident ist zufällig Jennis Partner.
„Wir lernen ganz viel von Jenni.“ Sie helfe nicht nur bei der Aussprache, sondern „lebt uns auch vor, was finnisches Leben bedeutet“, so Regisseurin Dagmar Ullmann-Bautz.

„Ich arbeite lieber mit Amateuren zusammen,“ sagt die Vollblut-Regisseurin. Sie seien mit mehr Leidenschaft und Liebe dabei. Belohnt und unterstützt wird das mit professionellem Knowhow, seien es die Kostüme, das Licht oder die Technik. Außerdem hat sie die Theaterfassung von Katharina Schöfl noch ausgebaut. Denn in deren Fassung gibt es nur fünf Rollen. „Aber das hat ja nichts mit Masse(nselbstmord) zu tun.“ Also hat sie das Stück um weitere Rollen ergänzt.

Dagmar Ulmann-Bautz bei den Proben für "Der wunderbare Massenselbstmord" ©Foto: Tarja Prüss | Reiseblog Finnland

„Ich war bisher noch nicht in Finnland. Nah dran, in Schweden und Norwegen. Das Stück hat mein Interesse gesteigert. Vor allem mein Interesse an den Menschen ist gewachsen.“

Todessehnsucht

Im Stück eint sie alle ein Ziel, ein Gedanke, ein Wunsch: Schluss machen. Aufhören. Endgültig. Sie sind des Lebens müde. Und kommen auf die grenzgeniale Idee, mit dem Bus Richtung Nordkap aufzubrechen, um sich gemeinsam in die eisigen Fluten zu stürzen.

Jedes finnische Klischee wird bedient, ausgewrungen, überzeichnet und aus den Angeln gehoben. Nicht nur die Ausgangssituation ist so skurril-abgründig, so absurd komisch. Der Wunsch nach Erlösung schweißt die Lebensmüden zusammen, die des Lebens doch gar nicht so überdrüssig sind. Und so kontrastieren Lebenslust und Lebensfrust, konterkariert neu aufflammende Lebensfreude die Todessehnsucht.

big move halle Hard mit Kunstwerken der Schauspieler ©Foto: Tarja Prüss | Reiseblog Finnland
Da unter den Schauspielern auch viele Künstler sind, wurde die Halle kurzerhand nicht nur zum Theater, sondern auch zur Galerie umfunktioniert. Ausgestellt sind zahlreiche Werke, von Ölgemälden bis hin zu Skulpturen.

Arto Paasilinna ist finnischer Bestseller Autor.
Seine Werke sind urkomisch, oft skurril, gleichzeitig so realistisch und ganz nah an den Menschen. Und alle sind sie Liebeserklärungen an das Leben.

So ein Stück passe nicht auf eine reguläre Bühne, sagt die Regisseurin. Und so wurde nach einer passenden Location gesucht und schließlich in einer großen Lagerhalle in Hard gefunden. Für die Theaterproduktion wurden extra die Stützpfeiler der Halle entfernt und eine üppige Tribüne aufgebaut, Stahlträger eingesetzt und mit Scheinwerfern bestückt.
Klingt nicht wie Amateurtheater? Ist es auch nicht. Es ist viel mehr als das.

Anart, das ist die Amateur Theatergruppe aus Hard, die seit bald 30 Jahren besteht: zur Zeit 16 engagierte Spieler im Alter zwischen 24 und 66 Jahren.

Das Bühnenbild mag schlicht sein, es besteht im Prinzip nur aus der schlichten Industriehalle und einem  Henkersknoten.
Es sind die Schauspieler, die – großartig inszeniert – immer neue Bilder, Formationen, Stimmungen erzeugen.
Sei es die Busfahrt an den Polarkreis, das Suizid Seminar oder der ausgelassene Sauna Abend im Mökki am See.
Und nebenbei: erfährt man noch ganz viel über das finnische Seelenleben.

Theaterprobe für "Der wunderbare Massenselbstmord" nach dem gleichnamigen Roman von Arto Paasilinna ©Foto: Tarja Prüss | Reiseblog Finnland

Hoffnungsvolle Selbstmordstrategien

Hoffnungsvolle Selbstmordstrategin aus Finnland verspricht das Anart Ensemble.
Und trotz aller strapazierter Bauchmuskeln macht das Stück auch nachdenklich.
Wie steht es denn um den eigenen Glückswert? Was macht überhaupt glücklich oder wie viel Glück braucht es, um glücklich zu sein? Was ist der Sinn des Lebens? Und was treibt Menschen in den Suizid? Was ist finnisch, was menschlich, was allzu menschlich?

Nach dieser Probe muss ich das Stück unbedingt ganz sehen. Acht Mal gibt es die Gelegenheit dazu. Die Premiere ist bereits ausverkauft, aber es gibt weitere sieben Termine, passender Weise genau bis Juhannus.

Probe "Der wunderbare Massenselbstmord" ©Foto: Tarja Prüss | Reiseblog Finnland
Sauna darf natürlich nicht fehlen

111 GRÜNDE FINNLAND ZU LIEBEN

Eine Liebeserklärung an das schönste Land der Welt. In Buchform. Erschienen im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf Berlin 2016.

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2 Kommentare zu „Theater: Der wunderbare Massenselbstmord“

  1. Ich liebe Arto Paasilinna und werde mir das Buch wohl kaufen. Danke für den Tipp und l G! 🙂
    Rick

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