Tarjas Blog
Finnische Weihnachten | Suomalainen joulu
Weihnachtsmann, Wichtel, Plätzchen und Lichter: Hier findest du Rezepte, Geschenkideen und Tipps, wie du die Adventszeit für dich zur schönsten Zeit des Jahres machen kannst
Der Mann, der die Schneeflocken liebte. Seine Geschichte hat mich derart fasziniert, dass ich sie dir erzählen will.
Sie hat mit Einzigartigkeit, Vergänglichkeit, einer lebenslangen Liebe und dem Winter zu tun.
ÜBERSICHT
„Wenn der erste Schnee kommt, dann freuen wir uns“, sagte mir mal eine Freundin aus Lappland. Ritva ist nicht die einzige, die den Winter und den Schnee liebt. Und ihr Satz sagt ja auch ganz viel über die Gelassenheit der Finninnen und Finnen aus. Einfach akzeptieren, dass es verschiedene Jahreszeiten gibt und den Winter hinnehmen, so wie er nun mal ist und das Beste draus machen.
Das steckt ja auch in dem Wort SISU irgendwie mit drin: einerseits nicht aufgeben und mutig immer wieder aufstehen (und das Krönchen richten), andererseits aber auch die Gelassenheit zu haben, sich über Dinge, die man ohnehin nicht ändern kann, nicht zu ärgern (weil es eh nichts bringt).
Eigentlich wollte ich heute etwas über die Abfahrt des Weihnachtsmannes erzählen. Aber dann kam mir der Schnee dazwischen und damit die Schneeflocken und damit der Schneeflockensammler – und es passt heute so gut, weil seine Lebensdaten etwas mit dem Tag vor Weihnachten zu tun haben. Wilson A. Bentley, der Schneeflockensammler – der Mann, der die Schneeflocken vor der Vergänglichkeit rettete. Eiskalt.
„Von Anfang an faszinierten mich Schneeflocken am meisten“, sagte Wilson Bentley.
Bis es schneit und die Flocken vom Himmel fallen, geschieht ja so einiges: Ganz feine Tropfen unterkühltes Wasser lagern sich in den Wolken an Staubpartikel an. Wenn diese kleine Tröpfchen dann gefrieren, lagern sich die Wassermoleküle auf eine ganz bestimmte Art und Weise aneinander an – es entstehen winzige Eiskristalle, faszinierend unterschiedliche Eiskristalle.
Dass wir das heute wissen, verdanken wir vor allem einem Farmerssohn aus Vermont in den USA. Seine Faszination für die Natur und mehr noch, für Schneeflocken, ließ ihn ein Leben lang nicht los. Wilson Bentley versorgte seine Tiere, fotografierte die Natur und wartete auf Schnee. Er hatte das große Glück, dass seine Eltern ein Mikroskop besaßen. Schon als Kind verbrachte er Stunden in der kalten Scheune am Mikroskop, um Form und Beschaffenheit der Schneeflocken zu studieren. Mit 17 konnte er sie davon überzeugen, dass nur eine Kamera mit Makroobjektiv seine Leidenschaft stillen könnte.
Wenn Schneestürme in Jericho tobten und alle sich in die tiefsten Winkel ihrer Häuser zurückzogen, trieb es Wilson nach draußen. Wilson war ein Eigenbrötler, ein wenig verschroben – und besessen von einer Leidenschaft: Schneeflocken. Für ihn waren Schneeflocken „Wunderwerke von wahrer Schönheit“ und er fand es beklagenswert, dass diese Schönheit nicht auch von anderen gesehen werden konnte. Er probierte, feilte, verworf und erfand schließlich eine eigene Technik.
Seine Ausbeute war anfangs gering, zu schnell schmolzen die Schneeflocken dahin. Wilson kämpfte gegen die Vergänglichkeit. Jedes Mal, wenn eine Schneeflocke gelandet war, bewegte er sie vorsichtig mit einer Feder, um sie unter die Linse zu legen. Immer ausgefeilter wurde seine Technik und nach rund vierzig Jahren Erfahrung schaffte er manchmal 60 Fotos am Tag. „Man braucht allerdings eine gewisse Geduld“, schrieb er in seinen Notizen. Zu denen übrigens auch minutiös dokumentierte Wetteraufzeichnungen gehörten, für die sich allerdings lange Zeit niemand interessierte.
Wie viele Millionen Sekunden er im Winter in Eiseskälte draußen verbracht hat, um eine Schneeflocke auf ein Foto zu bannen, ist nicht überliefert. Aber am 15. Januar 1885 gelang es ihm, den Beweis zu erbringen, dass man diese zartgliedrigen Kristallsterne trotz ihrer Vergänglichkeit dauerhaft festhalten kann – 100 Sekunden Belichtungszeit – bei kleiner Blende.
„Under the microscope, I found that snowflakes were miracles of beauty; and it seemed a shame that this beauty should not be seen and appreciated by others. Every crystal was a masterpiece of design and no one design was ever repeated. When a snowflake melted, that design was forever lost. Just that much beauty was gone, without leaving any record behind.“ – Wilson Bentley
Seine Nachbarn hielten ihn für einen Spinner, einer, der einen Sprung in der Schüssel hat. Er wurde zum Außenseiter, zum verrückten „Snowflake man“. Da war kein Platz für eine Frau und Wilson blieb ein Leben lang allein. Auch die Anerkennung der Forschung blieb ihm lange verwehrt. 1922 veröffentlichte er seine Ergebnisse, nachdem er über 5.000 Schneekristalle fotografiert hatte. Zerbrechliche Schneeblumen wie funkelnde Diamanten, Ornamente und Symmetrien, wie man sie nicht schöner erfinden könnte.
„Jedes Kristall ist ein Meisterwerk des Designs und keines davon gibt es ein zweites Mal.“ — Wilson Alwyn Bentley
Und er fand heraus, dass es trotz der enormen Formenvielfalt bestimmte Grundmuster gibt. Alle Schneeflocken sind sie mehr oder weniger sechseckig und weisen eine ausgeprägte Symmetrie auf.
Der Schneeflockenmann starb einen Tag vor Weihnachten im Jahr 1931 – zuhause auf der elterlichen Farm in Jericho, die er nie verlassen hatte – und hinterließ der Menschheit über 5.000 Schneeflocken-Fotos. Fotos, die fast hundert Jahre lang von unschätzbaren Wert für die Wissenschaft waren.
Noch heute sind Forscher von detailreichen Aufnahmen begeistert. Sie lieferten die Grundlage für die Eiskristallforschung. Doch bis dahin war es ein langer Weg. Wilson schrieb Artikel über seine Forschungsergebnisse, doch erst ein Artikel im „National Geographic“ machte seine bahnbrechenden Ergebnisse bekannt – und Wilson als Schneeflocken-Mann berühmt.
Sein Lebenswerk bündelte er in dem Buch „Snow Crystals“ mit über 2.400 seiner geliebten Schneeflocken, erschienen kurz vor seinem Tod. Auch der hatte mit Schneeflocken zu tun. Er war mal wieder auf der Suche nach Schneeflocken, zog sich eine Lungenentzündung zu, von der er sich nicht mehr erholte.
Lange Zeit galt er als der einzige und erste, dem es gelungen war, die zarten vergänglichen Schneeflocken auf einem Foto für die Ewigkeit auf ein Foto zu bannen. Und seine Fotos sind so gut, dass sich rund 100 Jahre kaum einer mehr die Mühe machte, Schneeflocken zu fotografieren. Eher zufällig stellte sich heraus, dass es dem Juristen und Astronomen Dr. Johann Heinrich Flögel (1834–1918) aus Ahrensburg in Schleswig-Holstein bereits am 1. Februar 1879 gelungen war, eine Schneeflocke zu fotografieren. Käufer seines Hauses fanden nämlich im feuchten Kohlenkeller 16 Fotos.
Doch nie zuvor hatte jemand die Schönheit der vergänglichen Schneeflocken so unermüdlich, beharrlich und leidenschaftlich festgehalten wie Bentley. Er nannte sie „Wunderwerke der Schönheit“. 5.381 Schneekristalle hat er bewahrt.
Bentley bleibt der „Schneeflocken-Mann“.
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„Under the microscope, I found that snowflakes were miracles of beauty; and it seemed a shame that this beauty should not be seen and appreciated by others. Every crystal was a masterpiece of design and no one design was ever repeated., When a snowflake melted, that design was forever lost. Just that much beauty was gone, without leaving any record behind.“
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Henry David Thoreau schwärmt von Schneeflocken:
„Der dünne Schnee, der jetzt aus dem Norden kommt und sich auf meinem Mantel festsetzt, besteht aus diesen schönen Sternkristallen (…). Sie haben einen Durchmesser von etwa einem Zehntel Zoll, perfekte kleine Räder mit sechs Speichen ohne Reifen, oder vielmehr sechs perfekte kleine Farne, farnartig, mit einer deutlichen geraden und schlanken Mittelrippe, die aus der Mitte herausstrahlt. (…) Wie voller kreativer Genialität ist die Luft, in der diese erzeugt werden! Ich sollte kaum mehr bewundern, wenn echte Sterne auf meinen Mantel fielen und sich dort festsetzten. Die Natur ist voller Genialität, voller Göttlichkeit; so dass auch nicht eine Schneeflocke ihrer gestaltenden Hand entgeht. Nichts ist billig und grob, weder Tautropfen noch Schneeflocken.“
Aus: Henry David Thoreau: The Journal of Henry David Thoreau, Vol. 8, S. 87.
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Schneeflocke in verschiedenen Sprachen:
Dänisch: snefnug
Englisch: snowflake
Finnisch: lumihiutale
Französisch: flocon de neige
Griechisch (Neu-): νιφάδα (nifáda)
Isländisch: snjóflygsa, snjókorn
Niederländisch: sneeuwvlok
Schwedisch: nsnöflinga
Tschechisch: sněhová vločka
Ungarisch: hópehely
Ein Schneekristall wiegt etwa ein Millionstel Gramm. In einer Tasse Schnee gibt es mehr als 10 Millionen Flocken. Und jeder Kristall ist mehr als zehn Millionen mal größer als seine kleinsten Einheiten und enthält 100 Millionen oder mehr Wassermoleküle.
Mindestens zwei Bücher gibt es über den Schneeflockenforscher auf deutsch:
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