Der Sommer war lang – der heißeste seit 50 Jahren, sagen die im Radio. In Inari dauert ein Sommertag im Normalfall zwei Monate: die Sonne geht nicht unter zwischen dem 22. Mai und dem 22. Juli. Jeder dritte Einwohner in Inari ist Same. Mücken sind ihre Knechte.
Samen in Finnland
Sami – Das letzte Urvolk Europas. Früher zogen sie als Nomaden mit ihren Rentieren und ritzten Botschaften und Wegweiser in die Bäume, heute sind sie mit Motorschlitten, Navy und Handy unterwegs.
Mücken sind die Knechte der Rentierhirten. Um den Mückenschwärmen zu entgehen, sammeln sich die Rentiere in höheren Gegenden. Gute Voraussetzung für die Markierung der Kälber in der Sommerzeit, die dann ihre Ohrmarkierungen erhalten. Jeder Same hat sein eigenes Zeichen.
Siida – über Samen
Das erfährt man unter anderem in SIIDA, dem Samenmuseum in Inari. Siida heißt soviel wie Markt – und Dorf. Es bezeichnet das Winterdorf, in dem die Samen früher lebten, als sie noch die meiste Zeit des Jahres mit den Rentierherden mitzogen. Ihre Sprache entstand vermutlich schon 3.000 vor Christus. 1557 wurde sie erstmals in einem Wörterverzeichnis schriftlich festgehalten. 1925 wird die Landstraße nach Inari fertiggestellt. Und seit 1993 gibt es einen eigenen Nationalfeiertag der Samen: der 6. Februar.

Wie sie auf Jagd gingen und fischten, ihre Kleidung herstellten, ihre Boote, Schlitten und Zelte bauten, all das erfahre ich im Museum.
Und mir fällt auf, dass es im Alltag kaum oder keinen Unterschied zu machen scheint. Same oder Finne – zumindest in Inari sind sie nicht voneinander zu unterscheiden.
Samen in Finnland
Im angrenzenden Freilichtmuseum sind die verschiedenen Behausungen der Samen und besichtigen: diese Hütten wurden bis in die 50-er Jahre hinein noch bewohnt und dann hierher transportiert. Neben den Winterhäusern sieht man auch Scheunen und Unterstellplätze für Schlitten oder Aufbewahrungskammern für getrockneten Fisch.
Alles in allem kommt mir das ziemlich durchdacht vor. Sie lebten in, mit und von der Natur. Sie nutzten und achteten sie.
Samen heute in Finnland
Heute genießen die Samen in Finnland weitgehende Minderheitenrechte. Das „Sami-Parlament“ hat seinen Sitz in Inari, ein von der Regierung alimentiertes Organ beschränkter Selbstverwaltung. Das Sámediggi wacht über die Einhaltung der per Verfassung garantierten «kulturellen Autonomie». Es versteht sich als Sprachrohr der Sami. Es wird gehört, wenn es um Rentiere und Urvölker geht. Pekka Aikkio vom Sami-Parlament sagt:
„Die saamische Lebensart ist durch eine enge Verbindung zu der Natur geprägt. Vom Vater lernte ich schon früh als Kind im Wald zu leben, und er zeigte selbst ein gutes Beispiel: hinterlasse keine Spuren; störe nicht das andere Leben des Waldes; behalte deine Sinne wachsam; höre zu und schaue was um dich geschieht; sei selbst unsichtbar und unhörbar; verschwende nicht die Gaben des Waldes. Es gab kein Geld und Flauten kannte man nicht. Unser Leben war um es kurz zu fassen fürstlich. Jetzt wo ich reifer bin weiß ich, dass die Lebensqualität sich zurückgebildet hat.“Ich hab das Glück, rein zufällig im Gästehaus einer berühmten samischen Künstlerin zu landen: Satu Maarit Natunen.
Im Frühstücksraum, der Rezeption, Atelier und Küche in einem ist, stehen ihre Nähmaschinen, Schubladenschränkchen mit Garn, Faden und Rollen – fein säuberlich nach Farben sortiert, Stoffe gefaltet und gerollt. Halbfertige Stulpen liegen da und warten darauf, zusammengenäht zu werden. Und an den Wänden hängen einige ihrer berühmtesten Werke: der stilisierte Fuchs etwa. Und nebenan im „Käsityötä“ gibts lauter „Handgefertigtes“. Sie selbst ist leider grad in Spanien.
Comments
1 KommentarVolker
Sep 27, 2013Wieder ein toller Beitrag, überhaupt unfassbar, was du in drei Wochen schon alles geschrieben hast!
Dabei hast du beachtliche Strecken zurückgelegt, es scheint als wären dir Flügel gewachsen.
Habe deine angegebene Website geöffnet, dann auf „Alkuun“ geklickt, es öffnete sich ein Portal mit 5 Kapiteln.
Oh je, alles nur finnisch!
Bei „Poro Ja Poronhoito“ habe ich den Text gelesen, eine Passage vermutlich sogar verstanden. :-)
Google übersetzt „Suomessa poro pärjää jopa -50°C pakkasessa…“ mit „Reindeer stapelt bis zu -50 ° C kalt“.
Klar, die Poros halten es bis zu -50 Grad locker aus!
Aber mal ganz ehrlich, diese verdammt schwere Sprache kann
man allein mit viel Sprachgefühl und Ausdauer nicht lernen,
ohne dein „finnisches Gen“ wärst du wohl aufgeschmissen?
Was treibt die Zivilisation mit dem Naturvolk der Samen?
Könnte man nützliche Errungenschaften des Fortschritts nur
vom den Überflüssigen trennen.
Funktioniert leider nie und nirgends.
Was Pekka Aikkio sagt, stimmt sehr nachdenklich und traurig.
„Es gab kein Geld und keine Flauten…“ bedeutet auch:
Keinen Neid, keine hausgemachten Krisen…die Welt der Samen war einmal heil.
Das Schicksal der nordamerikanischen Ureinwohner werden sie
gottlob wohl nicht erleiden, dafür sorgt der finnische Staat.