Sampo Lassila Narinkka ©Sini Liimatainen

Sampo Lassila Narinkka – Finnish Klezmer

Bis dato sagte mir Klezmer nicht viel. Ich könnte nicht behaupten, ein Fan von Klezmer zu sein. Seit Sampo Lassila Narinkka ist das anders: Finnishklezmer berührt bis in die kleinsten Verzweigungen des Herzens.

Narinkka

Aus Jazz, Folk, Klassik, Weltmusik und speziell Klezmer braut der Kontrabassist Sampo Lassila die Musik seines Quartetts Narinkka. Die Band aus Finnland ist benannt nach einem historischen Markt in Helsinki. Da, wo heute die Kapelle der Stille steht, wurden früher Waren aller Art gehandelt.
Sampo erzählt, dass es hier offenbar irgendwann zwischen 1750 und 1927 den ersten Flohmarkt gab. Der Platz hatte die Farben des prallen Lebens und den Hauch eines schlechten Rufes. Hier schaute jeder nur auf sich, Geld war nicht das Wichtigste, sondern vielmehr Überleben bestimmte das Tun.

Sampo Lassila Narinkka ©Sini Liimatainen

Vier hochkonzentrierte Musiker auf der Bühne des Kulturzentrums Linse in Weingarten – eine Auslandstour unterstützt von der Deutsch-Finnischen Gesellschaft e.V..
Virtuose Musiker, perfektes Zusammenspiel, das aber leicht wirkt und voller Harmonie – durchzogen von dunklen, weichen Tönen und einer guten Portion Wehklang.

Sampo Lassila – b, comp
Markku Lepistö – acc
Alexi Trygg – viola
Janne Tuomi – perc, »Singender Koffer«

Finnische Klezmer Musik

Sampo Lassila ist in Jazz und Klassik zuhause. Er gilt als einer der besten Kontrabassisten Finnlands, ist Mitglied des Symphonieorchesters von Lahti und hat mit Edvard Vesala und Krakatau gespielt.

Der Akkordeonist Markku Lepistö ist ein Weltstar seines Instruments: Er hat mit der Formation Pirnales den Folk erneuert und veröffentlicht regelmäßig moderne akustische Musik auf Weltklasse-Niveau. Darüber hinaus hat er ein gutes Jahrzehnt bei Värttinä gespielt und war 2020 für den finnischen Grammy (Emma) für seinn Album zusammen mit Mikko Helenius (Bellows and Pipes) nominiert.

Aleksi Trygg lässt seine Viola unendlich ergreifend weinen, aber immer weich und sanft.

Percussionist Janne Tuomi, der mit einem minimialistischen Schlagzeug spielt und aus einem Koffer unglaublich variable Klänge herausholt.

Ursprung Klezmer

„Jede Volksmusik ist schön, aber von der jüdischen muss ich sagen, sie ist einzigartig! Sie ist so facettenreich, kann fröhlich erscheinen und in Wirklichkeit tief tragisch sein. Fast immer ist es ein Lachen durch Tränen“, so beschreibt Dmitrij Schostakowitsch den Klezmer. Das Wort setzt sich aus den Begriffen „kley“ (Instrument) und „zemer“ (Melodie) zusammen.

Die Wurzel des Klezmer liegt in den osteuropäischen Kleinstädten mit hohem jüdischen Bevölkerungsanteil, die im Spätmittelalter entstanden sind, Vertriebene aus Mitteleuropa, die in Osteuropa Zuflucht suchten. Dabei nahmen sie nicht nur ihr Hab und Gut, sondern auch ihre Musik mit. Die wichtigsten Klezmer-Instrumente sind das Tsimbl (Hackbrett), die Geige und die Klarinette.

Die Finnische Variante erkennt man vielleicht schon daran, dass eine andere Kombination der Instrumente gewählt wird: Akkordeon, Viola, Kontrabass, minimalistisches Schlagzeug. Ausnahmslos warme Töne aus dem kalten Norden.

Musik wie ein Fluss

Sie schluchzt, sie weint, hält einen vor Begeisterung aber auch kaum auf dem Stuhl: Finnishklezmer.

Und ehe man sich versieht, fällt man regelrecht in die Harmonien hinein. Sie wirken wie ein Sog, dem sich die Ohren nicht entziehen können. Vor allem nicht das Herz. Es lässt sich einfach fallen und von dem musikalischen Strom mit treiben. Die Musik ist wie ein Fluss, mal langsam und verschlungen, mal wild und treibend, wie wenn Stromschnellen Fahrt aufnehmen. Und dann kommt dieser musikalische Fluss, dessen Wasser mal tiefblau, mal Eiswasser-hell, und dann wieder schimmernd grün und wärmend scheint, irgendwann wieder in ein sanfteres Bett, in dem die Töne klingen, gezogen und getragen werden.

Und immer habe ich das Gefühl, die Saiten und Knöpfe erzählen von Kaiho. Sie wecken in mir eine Sehnsucht nach etwas Unbestimmten, etwas, das sich dem Versuch, es zu fassen, erfolgreich entzieht. Jedes Mal, wenn ich den Eindruck habe, jetzt komme ich diesem Gefühl oder diesem Ort näher, jetzt bin ich gleich da, lösen sich die Bilder auf, noch bevor ich sie richtig greifen könnte. Wie Farbschlieren, die sich auf der Wasseroberfläche kringeln, bleibt es seltsam unbestimmt. Nur eines scheint klar: sie sind durchzogen von Sehnsucht, Wehmut und Melancholie.

Melancholie und grenzenlose Tragik

Und wenn die vier dann von dem einen Liebesbrief erzählen, der, den eine Frau in Polen 1942 an ihren Mann schrieb, der als Soldat nach Finnland musste. Dieser Mann, der dann blieb. Und dieser Brief, der nie eine Antwort erhielt. Dieses Stück Papier, das man ungezählte Jahre später – nach seinem Tod – in seiner Brieftasche fand. Die nichts anders als diesen Brief enthielt, vergilbt und kaum mehr leserlich.

Bei diesem Song verschmelzen Erfahrungen und Gefühle aller Generationen jetzt und derer, die vor uns da waren, zu einem vielstimmigen Klang. Ein Klang der verpassten Chancen, der ungelebten Gefühle und der grenzenlosen Tragik.

Ländergrenzen verschmelzen angesichts dieses universellen Gefühls, – selbst der Coronavirus Hype ist für einen Moment vergessen – und im dunklen Kinosaal der Linse in Weingarten scheint jeder für einen Augenblick versunken zu sein in den Fallstricken, die das Leben bereithält.

Dieser Song findet sich auf der CD Sampo Lassila Narinkka – Suomiklezmer – also finnischer Klezmer – und beim wiederholten Hören fällt man in eine Art angenehme Zeitlosigkeit.

Mit Spielwitz und finnischem Humor erzählt Sampo kleine Geschichten auf der Bühne und bringt so Leichtigkeit und Unbeschwertheit in die musikalische Reise. Etwa vom Osten Helsinkis und der unschlagbaren Kombination von Liebe und Sport – im Besonderen Nordic Walking. Und man meint den gleichmäßigen Schritt, das Kratzen der Stöcke auf dem Asphalt und das Atmen zu hören.

 

Sampo Lassila Narinkka: sentimental & schroff

Die CD „Vierailla Mailla“ – Das Land besuchen (englischer Titel: Strange Lands) – bezieht seine Themen vom Fremdsein: Finninnen und Finnen im Ausland, andererseits Fremde in Finnland. Hier werden Geschichten erzählt von Menschen, von verlorener Heimat, der Suche nach Glück und verpassten Momenten.

Sampo Lassila ist der Erfinder von Suomiklezmer. Lassila gründete auch das Helsinki Klezmer Festival, das seit 2015 jeden Sommer in Sysmä über die Bühne geht.

Mit Suomiklezmer haben die Musiker ihre eigene Sehnsuchtsmusik gefunden. Eine neue Form des Klezmer – mit viel Leidenschaft und Melancholie, transformiert in eine urbane zeitgemäße Musik, die viel zu erzählen vermag. Eine Art nordischer Blues, kaum in eine Schublade zu stecken. Sampo bezieht sich dabei auch auf den finnischen Komponisten, Arrangeur, Musiker und Produzenten Toivo Kärki (1915-1992).

Sampo Lassila: „Narinkkas Musik ist ausgesprochen slawisch, sentimental, schroff, irgendwie rührend ehrlich, aber plötzlich fast erschreckend stark. Die musikalische Verbindung zwischen den Bandmitgliedern geschieht wirklich – auf berührende oder andererseits komische Weise. Die andere Seite, die traditionellen Klezmer-Stücke, sind passend zum eigenen Narinkka-Stil arrangiert und erweitern das Live-Erlebnis zu einer Art Zeitreiseerlebnis, von den alten Bessarabien-Schtetls bis zu modernen finnischen Vororten.“

Aber letztendlich basiert die akustische Musik, komponiert von Sampo Lassila NARINKKA, wirklich auf diesem ganz besonderen Moment, in dem sich Zuhörer und Musiker wirklich in der Musik, in der menschlichen Musik verbinden können.

Und es wäre wohl nicht finnisch, wenn es nicht auch Songs gäbe wie Metsä (Wald), den Narinkka am Schluss spielt und die finnischen Wälder in all ihren Facetten so mir nichts dir nichts nach Weingarten holt.

Mein Fazit:

Wenn Blues die Wurzel aller Musik ist,

dann ist Suomiklezmer die Wurzel aller gefühlter Sehnsucht.

DFG-Tour in Deutschland

  • 6.3. Stuttgart, Laboratorium 20.30 Uhr
  • 7.3. Weingarten,Kulturzentrum Linse, 20.00 Uhr
  • 8.3. Herford, Haus unter den Linden, 19.00 Uhr
  • 10.3. München, Einstein Kultur, 20.00 Uhr
  • 12.3. Hof, Theater Hof, 20.00 Uhr
  • 14.3. Hamburg, Finnische Seemannskirche, 19.00 Uhr
  • 15.5. Gernheim
  • 16.5. Greifswald
  • 17.5. Lübeck
  • 18.5. Bad Segeberg
  • 19.5. Wilhelmshaven
  • 20.5. Bremen
  • 21.5. Neuss
  • 22.5. Vöhl
  • 23.5. Wiesbaden
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1 Kommentar zu „Sampo Lassila Narinkka – Finnish Klezmer“

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