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Die Tücken der finnischen Sprache

Wer um Himmels Willen lernt freiwillig die finnische Sprache? Eine Sprache mit 15 (!) Fällen! Die keine Präpositionen kennt, sondern alles als Suffixe hinten an Wort hängt, dass seeehr lange Wortmonster entstehen können. Die mehr Vokale als Konsonanten im Wort kennt und mehr Ausnahmen als Regeln. Dafür aber nicht zwischen „er“ und „sie“ unterscheidet, kein Futur kennt und kein Wort für „bitte“. Und das sind noch nicht alle Besonderheiten.

Finnische Sprache: ein Labyrinth

Finnische Sprache: Finnische Fahnen © Tarja Prüss
© Tarja Prüss

Wer das erste Mal nach Finnland kommt, versteht mit Sicherheit erst mal gar nichts, fühlt sich eher von den vielen ä’s, ö’s und Ypsilons erschlagen. Denn das Finnische hat nichts, gar nichts mit den romanischen Sprachen gemeinsam. Außer ein paar Worte, die sie übernommen und einfach mit einem -i versehen haben: wie etwa: Anorakki, banaani, baari, bumerangi, elefantti, fööni, psykologi (und andere Professionen), humpuuki (Humbug),  konjakki (und viele andere alkoholhaltige Getränke) laminaatti, mandariini, optimisti, pankki, posti, salaatti, tomaatti, tunneli, Die Liste ließe sich fortsetzen.

Finnisch gehört zur finnisch-ugrischen Sprachgruppe, zusammen mit Ungarisch und Estnisch. Das macht es schwierig, Anknüpfungspunkte zu finden und sich einzelne Wörter zu merken. Aber es ist tröstlich festzustellen, dass es anderen auch so geht, dass man ein Wort hundert Mal hört, hundert Mal wiederholt, hundert Mal schreibt und trotzdem gleich wieder vergisst, weil es einfach nicht ins Hirn will, weil es so anders und so kompliziert ist.

Hinzu kommt die Vokalharmonie. So können in einem Wort im hinteren Teil die Vokale a, o und u grundsätzlich nicht vorkommen, wenn im vorderen Teil des Wortes ä, ö oder y vorkommen. Klar, oder?

Und dann noch der Stufenwechsel: bedeutet, dass aus k, p und t – je nach Fall – das k ganz wegfällt, aus p ein v wird und aus t ein d. Aus k kann aber auch ein j werden und das p kann manchmal aus ganz aus dem Wort rausfallen. Oder, oder, oder… So weit verstanden?

Damit ihr versteht, was ich meine, ein paar Beispiele:

  • lukea (lesen) – luen (ich lese)
  • rapu (der Krebs) – ravun (des Krebses)
  • katu (die Straße) – kadulla (auf der Straße)

Finnische Sprache

Vieles erscheint mir in der finnischen Sprache völlig unlogisch. Etwa:

ich liebe Finnland – minä rakastan suomea. Aber: ich mag Finnland – minä pidän suomesta. Warum? Und warum kann aus „Tarja“ und „Schwester“ (sisko) je nach Fall Tarjan siskon, siskoni, siskosi, siskolle, siskonsa, siskolleni, siskoltasi, siskolta….und wahrscheinlich noch x andere mögliche Formen werden? Seid ihr noch da?

Manche Sachen sind aber auch einfacher: es gibt kein grammatikalisches Geschlecht und keine Artikel. Weder bestimme noch unbestimmte. Ist doch mal ein Vorteil! Und gut für die Gleichberechtigung von Mann und Frau!

Interessant finde ich auch, dass es kein eigenes Wort für „haben/besitzen“ gibt. Man umschreibt es mit „bei mir ist…“. Ich frage mich, ob sich das auch auf Einstellungen auswirkt – gibt es hier vielleicht weniger Haben-Menschen, dafür mehr Sein-Menschen?

Und manche Sachen sind entscheidend kürzer. Meine Großmutter wunderte sich etwa, dass man auf deutsch so kompliziert sagt: es freut mich sehr, ihre Bekanntschaft zu machen. 8 Worte, für die man im Finnischen nur zwei braucht: hauska tutustua.

26 Kommentare zu „Die Tücken der finnischen Sprache“

  1. Ich finde das total spannend mit dem fehlenden Wort haben… Wäre doch mal interessant, ob sich Kleinkinder in Finnland ein anderes Wort aussuchen, um auszudrücken, dass sie etwas unbedingt in ihre kleinen fetten Patschehändchen kriegen wollen?
    Und was bedeutet das gesellschaftlich gesehen? Ist die Raffgier weniger ausgeprägt als in D? Gibt es weniger Superreiche und auch weniger ganz Arme? Sind Geld und Güter ‚gleicher‘ verteilt, wenn keiner etwas wirklich ‚hat‘?

    Gilt das eigentlich auch für unser zweitwichtigstes Hilfsverb haben, gibt es das auch nicht? Oder wird im Finnischen ebenfalls mit sein und haben konjugiert?

    Und klingt diese Sprache nicht irgendwie nach Eis und Schnee, eben ’nordisch‘? Bei hauska tutustua hätte ich jetzt eher an „Mach Deine Hausaufgaben, aber sofort!“ gedacht… 🙂

    1. Das mit dem „Haben“ klingt gut!
      Noch wichtiger ist aber die Tatsache, dass in Finnland fast alle Menschen genug zum Leben haben.
      Laut Statistik gibt es nur 2,5 %, die weniger als 40 % des mittleren Einkommens besitzen.
      Im reichen Norwegen sind es 3,9 %, D und CH liegen bei 4,6 und 4,5 , Tendenz in D jedoch stark ansteigend.
      Wo die Umverteilung stimmt, können Zahlen manchmal sehr schön sein! 🙂

  2. Viele Menschen empfinden schwer erlernbare Sprachen als „biblische Strafe“.
    Das trifft insbesondere für mich zu. :)
    Andererseits ist jede Sprache wichtiger Bestandteil der jeweiligen Kultur.

    Was die Tücken und Eigenheiten der finnischen Sprache angeht:
    Treffender, humorvoller – auch in Hinblick auf eine mögliche soziale Komponente – kann man sie wohl kaum beschreiben!!!

  3. 🙂
    interessant, was du über die Einkommensverteilung schreibst…
    die Wissenschaft sagt, je kleiner die Schere zwischen arm und reich, je gleichmäßiger also der Lebensstandard, umso höher der Grad der Zufriedenheit innerhalb der Gesellschaft. Scheint hier einigermaßen zu passen.

    1. Überhaupt scheint in diesem Land vieles zu passen……. 🙂
      Habe übrigens vergessen, die Reichen anzusprechen:
      60 % Spitzensteuersatz sorgt auch dafür, dass die Schere klein bleibt.
      (Die durchschnittliche Erhebung liegt bei 42 %.)
      Land und Leute werden mir immer sympathischer! 🙂

  4. Wie, keine Zukunft für Finnland?
    Zumindest nicht für Finnisch als Weltsprache.
    Die Beispiele sind… erschütternd. Wenn du es schaffst, nur jeden dritten Satz fehlerfrei herauszubekommen, erstarre ich vor Respekt als wäre ich eben ins frisch aufgeschlagene Loch zum Eisfischen gefallen.

    Und noch was: Danke für deinen glänzenden Humor, Tarja!!!

  5. Die jüngste PISA Studie beweist, das ZUKUNFT nicht ausschließlich eine Frage von Sprache sondern vielmehr von KULTUR ist und ihrer ganzheitlichen Strahlkraft in alle Lebensbereiche…
    Wer in 15 Fällen geübt ist, meistert vermutlich auch die Grammatik von Nachhaltigkeit /Zukunftsfähigkeit …

    Und eine persönliche Bemerkung sei mir noch erlaubt: dass das Feld SCHWESTER so vielgestaltig und differenziert daher kommt – gefällt mir ( oder wie heißt das in den neuen Vokabeln der Social Media? )

    1. Ok Jaana. Ich muss hier wieder mal enräumen, dass mich und meine Wortspiele nicht jede(r) sofort versteht. „Keine Zukunft“ war darauf bezogen, dass Futur im Finnischen nicht existent ist (s. ganz oben).
      Und zu PISA (auch wenn ich hier keinen extra Schauplatz eröffnen möchte): Ich pfeif drauf. PISA macht zumindest in Deutschland unsere Kinder zu Lernmaschinen ab Jahrgangsstufe 1. Ich find’s zum k….
      Norwegen schneidet hier – entgegen landläufiger Meinung – gar nicht so gut ab. WARUM? Weil dort andere Schwerpunkte gesetzt werden. Soziale Intelligenz und Lebensfähigkeit stehen im Vordergrund. Wo sonst gibt es bis zur 3. Klasse einen wöchentlichen Wandertag, bei dem so „seltsame“ Fähigkeiten wie Holzschnitzen und Feuermachen vermittelt werden. Hier darf Kind noch eines sein: Kind.

      PS: für die Rechenaufgaben zum Kommentar abschicken bin ich um meinen Taschenrechner echt froh ;o)

      1. @Ralph: ich teile Deine Meinung was das Bildungssystem angeht (unterstütze die Initiative Schule in Freiheit) und wer Gerald Hüther (wie wir lernen) oder Andreas Weber (Mehr Matsch! Kinder brauchen Natur) gelesen hat versteht gar nicht warum unsere Kinder noch diese Form der Wissensabfertigung (er)leben.
        Hab gerade wildnispädagogik abgeschlossen als Zusatzqualifikation … Da ist Deine norwegische Erfahrung „mit allen Sinnen“ wirklich eine bemerkenswerte Erfahrung!

  6. Olen harvoin, tai en oikea saan koskaan, lukenut tai kuulu paremmin ja hauskimmin selitettyä suomenkielen erikoisuuksia. Vaikka se on äidinkieleni en olisi noin hyvin selittää sitä.

    1. Kiitos vastauksestasi, hyvä huomautus!
      Kyllä, se on vaikeaa – kaikille!
      motivoi minua ;-)

  7. Warum sind die unterschiedlichen Fälle (in deinem Beispiel mit dem Word sisko) unlogisch für dich?
    siskoni = meine Schwester
    siskosi = deine Schwester
    siskonsa = seine/ihre Schwester
    siskolleni = für meine Schwester
    usw.
    Für mich ist das mittlerweile ganz logisch…

    Und was „Minä rakastan suomea“ vs. „Minä pidän Suomesta“ angeht..naja. Warum sagt man auf Deutsch „Ich bin in der Küche“ aber „Ich gehe in die Küche“? Ist doch dann genauso unlogisch… Der Fall hängt da eben vom Verb ab…im Deutschen wie auch im Finnischen.

    1. Freut mich, wie viele Menschen sich an diese Sprache wagen! Diese Dinge sind mir auf jeden Fall in der Anfangszeit am stärksten aufgefallen und waren für mich am schwierigsten nachzuvollziehen. Da geht es jedem vermutlich etwas anders. Hängt sicher auch von den Lehrern ab oder ob man im Selbststudium lernt. Auf jeden Fall vielen Dank für den Kommentar! 🙂

      1. Habe erst hinterher gemerkt, dass der Post schon ein paar Jahre alt ist…sorry. Dachte, der Post sei aktuell, habe gar nicht auf das Datum geschaut…

        Wie lernst du denn? Im Kurs oder alleine? Ich habe immer Kurse besucht, aber nebenher auch noch selber zusätzlich gelernt, weil mir die Kurse, vor allem am Anfang, etwas zu langsam waren…

        Für mich war es halt so, dass die Sprache, nachdem ich so weit war, zu verstehen, wie das mit den unterschiedlichen Fällen funktioniert usw….dann war es für mich ziemlich logisch. Aber ganz am Anfang war mir der Unterschied zwischen z.b. kirja und kirjaa überhaupt nicht klar. Nach einer Weile kam das dann aber. Mittlerweile ist es aber schon wieder 4 Jahre her..und ich weiß nicht mehr, wie ich das damals empfunden habe….

        1. Hallo Estrella! Danke für deinen Kommentar – ich habe in Finnland Kurse besucht, aber in Deutschland bin ich leider gezwungen, alleine zu lernen, weil es in meiner Gegend keine Kurse gibt. Was war denn bei dir der Grund, warum du Finnisch lernen wolltest???

          1. Hier in meiner Nähe gibt es glücklicherweise mehrere Finnischkurse, die ich besuchen kann. 🙂
            Schade, dass es in deiner Gegend keine Kurse gibt.

            Ich wollte Finnisch lernen wegen finnischer Musik, vor allem Nightwish und Tarja Turunen..die haben zwar nicht oft Finnisch gesungen, aber gelegentlich doch..und dann gab es auch immer wieder mal Interviews in Finnisch… Und über Nightwish kam ich dann zu Indica (Jonsu von Indica hat ein Lied zusammen mit Nightwish gesungen)
            https://www.youtube.com/watch?v=p8m6cnR-MQ
            Und da wollte ich dann halt auch mal das Finnische verstehen…:) Mittlerweile kann ich von finnischer Musik nicht genug kriegen 🙂

          2. Ja, die kenne ich auch. 🙂 Das erste Lied von Tuure Kilpeläinen, das ich kennengelernt habe, war allerdings ein Kinderlied…Kuningas Ei 🙂

  8. ulla-maija haak

    sinulla oli pari ss liikaa noissa siskon taivutuksissa. Mutta ihan alukea sinun kirjoitelmia. Olen joskus yrittänyt opetta muutamille suomen kieltä, joka on tosi vaikeaa, siskosi ja siskonsa.

  9. Olen hullu saksalainen ja puhun vähen suomea, kiitos! =D

    Ich freue mich immer wieder, wenn ich doch mal was verstehe, wenn ich etwas im Internet lese. Es ist seit Jahren einfach schwierig… sehr schwierig, aber selbst wenn ich es bis ins hohe Alte versuchen muss… Ich tue es! Ich bin stärker als finnisch – zumindest bis zum nächsten Satz den ich nicht verstehe! 😉

    Trotzdem mag ich die Sprache so sehr und ich muss immer ein wenig schmunzeln, wenn man es auch hier zu Lande als Gesprächsfetzen aufschnappt.

  10. Pingback: Finnisch lernen leicht gemacht | tarjasblog.de

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