1. Baltic Snow Call in Oulu Finnland - das finnische Team bearbeitet die Skulptur ©Foto: Tarja Prüss | Tarjas Blog - Alles über Finnland

Der Schnee ruft – 1. Baltic Snow Call in Oulu

Minus 17 Grad, leichter Wind, lichtblauer Himmel und das Meer unter Eisschollen, gezwungen in den Winterschlaf.

Ufer, Strand und Meer sind nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Dicke Eis- und Schneeschichten decken alle Grenzen zu.

SCHNEE STATT SANDSTRAND

Nallikari, so heißt der Strand in Oulu. Wir sind in Nordfinnland. Auf dem 65. Breitengrad, nur 200 Kilometer vom nördlichen Polarkreis entfernt.

Nur wenige Meter vom Strand entfernt werkeln zehn Teams aus zehn Ländern an ihren Schnee-Kunstwerken. 40 Stunden bei zweistelligen Minusgraden arbeiten sie sich von oben durch einen jeweils 27 Kubikmeter umfassenden Schneequader. Arbeiten sich regelrecht an ihm ab.

Auf dem Platz herrscht konzentrierte Betriebsamkeit. Man hört Raspeln, Scharren und Kratzen. Der gepresste Schnee darf nur mit manuellen Werkzeugen bearbeitet werden.

schneeskulptur bearbeiten oulu
Work in process: das schwedische Team

LUMISTIT

„Lumistit“ – der Superlativ von Schnee – im Finnischen gibt es dafür ein Wort. Am schneeesten muss im Deutschen erst noch erfunden werden.

So nennt sich das finnische Team aus Schnee-Bildhauern.

Antti Kolppo wurde schon vor über 20 Jahren mit dem Lumistit-Virus infiziert. Mit 17 Jahren begann er zusammen mit Schulfreunden die ersten Skulpturen aus dem Schnee herauszumeißeln.

 

„Day break of the polarnight“ heißt ihr Werk.

„Wenn die Sonne nach dem dunklen Winter, nach der Polarnacht das erste Mal wieder über den Horizont klettert, diesen Moment halten wir fest. Es ist ein überaus wichtiger Moment für uns. Ein Moment, auf den wir lange gewartet haben“, sagt Antti.

Bei den Finnischen Landesmeisterschaften im Schnee-Bildhauern hat sein Team schon viermal den ersten Platz gemacht.

Antti steht auf einem Baugerüst und bearbeitet die Sonnenstrahlen, die sich im Halbkreis in Richtung Himmel strecken. „Wir sind ein bisschen in Verzug“, gesteht er. „Die Winkel der Sonnenstrahlen müssen noch stärker ausgearbeitet werden. Auch fehlt noch das Gesicht in der Mitte.“ Und dann sägt er weiter. Wärmende Sonnenstrahlen in den eiskalten Schnee.

DER SCHNEE RUFT

Der Baltic Snow Call fand im Februar 2018 das erste Mal statt. Ein Projekt, das angesichts ungewisser Kosten und Resonanz auch ein riskantes Unterfangen war.

Doch der Erfolg gibt den Organisatoren Janne Andberg, Anna Koivukangas und Ulla Anttila Recht: auf der ITB, der weltweit bedeutsamsten Reisemesse in Berlin, wurde der 1. Baltic Snow call vor wenigen Wochen als das „Beste Event in Skandinavien 2018“ ausgezeichnet.

SCHNEE SKULPTUREN

Das Spannende an der Bildhauerei ist, dass das Werk nicht durch Hinzufügen entsteht, sondern durch Wegnehmen.

Der berühmte italienische Bildhauer Michelangelo wurde einst gefragt, wie er die meisterhafte Statue von David erschaffen habe. Er erwiderte: „Ganz einfach – ich musste nur wegnehmen, was nicht David war.“ 

Nur durch Wegnehmen gewinnt man die Form.

Sie lässt sich demnach nicht denken, auch nicht zeichnen, sie lässt sich nur über die handwerkliche Arbeit erreichen.

 

1. Baltic Snow Call in Oulu Finnland - Lightshow in der Nacht
Ein Spiel von Licht und Schatten

Egal, ob gerade Fläche, Rundung oder Ecke – immer wieder streichen die Künstler über die Stellen, die sich gerade bearbeiten. Streichen mit ihren dicken Handschuhen über den bearbeiteten Schnee. Durch das Tasten erspüren sie, ob die Form nun passt oder noch ein bisschen mehr weiße Pracht weichen muss.

Buckel und Höhlungen im Spiel von Licht und Schatten nannte das Auguste Rodin (1840-1917), französischer Bildhauer. Ob Marmor oder Schnee, das spielt letztlich keine Rolle.

Hier sind es 15 Tonnen gepresster Schnee. Ein starkes Gegenüber, mit dem man sich auseinandersetzen, einlassen und manchmal auch kämpfen muss. Die Finnen kennen zahlreiche Wörter für Schnee – weit mehr als wir.

Mir juckt es ehrlich gesagt auch in den Fingern. Vielleicht nicht gleich ein 3x3x3 Meter Block, aber so einen Kubikmeter würde ich jetzt auch gern bearbeiten.

schneeskulptur bubbles im prozess
Work in process

„Fertig ist man nie“, sagt Lothar Luboschik, Leader des deutschen Schnee Skulpturen Teams Black Forest. Lothar ist zusammen mit Mike Schneider und Detlef Schürzmann aus dem Schwarzwald angereist. Erfahrungen bringen sie bereits von Wettbewerben in Kanada und Japan mit, auch schon so manchen Sieger-Pokal.

Und dann schleift Lothar weiter. Schleift Schicht für Schicht Schnee ab, fegt die Fläche sauber und fühlt durch die Handschuhe durch, ob noch mehr weg muss.

Wieder und wieder kommt das Team zusammen, prüft aus ein paar Metern Entfernung den aktuellen Arbeitsfortschritt, bespricht die nächsten Schritte.

Dann wieder schleifen, fegen, tasten, spüren. „Es ist auch ein Austarieren und Annähern, ein Spielen mit Konsistenz und Statik. Wie viel kann ich wegnehmen, wie schmal und konkav dürfen die Seitenflächen werden, ohne dass es in sich zusammenstürzt“, erklärt Detlef Schürzmann. Gearbeitet wird, bis das Tageslicht schwindet.

In Finnland sind sie das erste Mal. „Es ist toll hier! Wir sind super untergebracht. Die Hütten direkt am Nallikari Strand haben sogar Sauna. Der Schnee ist super. Alles ist bestens organisiert und die Leute hier sind alle total nett und lieb,“ schwärmen die drei Schnee Bildhauer.

1. Baltic Snow Call in Oulu Finnland - Bubbles heißt die die Skulptur des deutschen Teams - nachts bunt angestrahlt ©Foto: Tarja Prüss | Tarjas Blog - Alles über Finnland
Das fertige Kunstwerk des deutschen Teams Black Forest

PREISGEKRÖNTE EISKALTE SCHÖNHEITEN

Alle Teams repräsentieren das Spitzenfeld ihres jeweiligen Landes.

Und das zieht eine Menge Besucher an, die den Künstlern so auch ihren Respekt bekunden. Die Mittagssonne gibt ebenfalls ihre Bestes und lässt die Werke gleich doppelt strahlen.

Die internationale Jury vergibt den ersten Platz an das Team Russland mit Aleksey Moskalev, Svetlana Tutanova and Mikhail Erushev. Team Finnland mit Ari-Pekka Kuusela, Aleksi Salakka and Antti Kolppo belegt den zweiten Platz. Der dritte geht an Team Estland, bestehend aus Lauri Tamm, Mari Hiiemäe and Anna Otsolainen.

„Die Schnee Skulpturen sind wirklich großartig,“ schwärmt etwa Anna Kaisa Outtinen aus Tyrnävä. „Ich kann die technischen Herausforderungen nicht beurteilen, aber die Skulpturen sind allesamt beeindruckend.“

DAS LEBEN DES SCHNEES

„Jeder kann das machen,“ sagt Lothar. Jeder hätte zumindest die Kreativität in sich, ist er überzeugt.

Dass ihre Schnee Skulpturen nicht wie Davids Michelangelo auch nach Jahrhunderten noch bewundert werden können, stört sie dabei nicht. Im Gegenteil: „Das ist ja das Schöne daran. Das ist eben die Natur des Schnees. Das Leben des Schnees. Und die schönsten Augenblicke, die hast du im Herzen.“

1. Baltic Snow Call in Oulu Finnland -2. place for the finnish team ©Foto: Tarja Prüss | Tarjas Blog - Alles über Finnland
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