Über 900 Kilometer – einmal durch ganz Finnland – von Helsinki bis nach Kittilä – begleitet von der Herbstsonne. Und bei Glück: Irgendwo unter mir im Flugzeug hoffentlich mein Koffer, der in Helsinki nicht aufgetaucht war. Es ist Herbst in Lappland.
Herbstzeit in Lappland
Thomas Kast (salamapaja.fi) holt mich vom Flughafen ab. Genauso wie vor etlichen Jahren, als wir uns hier das erste Mal trafen. Thomas lebt seit vielen Jahren in Oulu, der Heimatstadt meiner Mama. Seine Polarlicht-Leidenschaft führte ihn nach Lappland. Er hängte seinen Job an den Nagel und gründete Salamapaja, was Blitzwerkstatt bedeutet. Er bietet spezielle Polarlichtreisen in kleinen Gruppen in Lappland an: Abenteuerreisen, Basecamps, Fotoschulungen. Vor allem im Winter, denn im Sommer gibt es ja bekanntlich keine Polarlichter zu sehen.
Zu fünft starten mit seinem Bus in Richtung Hetta. Der Herbst leuchtet uns entgegen. Die Bilanz nach nur zwei Stunden:
- Zwei Pirakka gegessen und Kaffee getrunken
- Einen Elch gesehen
- Ein Tupla genossen
- Rentiere fotografiert
- Die Aussicht vom Berg Levi genossen
- Preiselbeeren und Blaubeeren probiert
- gelb leuchtende Birken bewundert
- Wolken im spiegelnden See entdeckt
- Thomas zufriedenes Lächeln
- unsere Begeisterung spürbar
In Hetta angekommen, wartet schon eine angeheizte Sauna auf uns. Dieser Ort hat Sehnsucht ausgelöst und viele andere schöne Dinge, die in der Zeit danach passiert sind – würde er sie nun aber auch stillen können? Ich lasse mich fallen, spüre die Hitze auf meinem Körper und warte, das wir ankommen: mein Geist, mein Körper, meine Seele. Löyly hilft dabei.
Auf der Suche nach dem Licht
Thomas ist Polarlichtverrückter. Er verzichtet lieber auf Schlaf und Komfort als auf magische Lichter in der Nacht. Dafür fährt er auch mal ein paar Stunden, um den Wolken um Oulu herum zu entkommen – oder um einen neuen Ort zu testen.
Wir sind auf der Suche nach dem Licht. Da der lappländische Himmel jedoch vorzieht, sich komplett und dick mit Wolken einzumummeln, machen wir uns auf die Suche nach dem Herbst.
Auf der Suche nach den Farben
Man könnte glauben, je weiter man nach Norden kommt, desto karger wird die Natur um einen herum. Bedenkt man all die Widrigkeiten der Polarnacht und des langen Winters, scheint es nur allzu notwendig. Die Birken werden schmaler und kleiner, als wollten sie sich unter der Kälte weg ducken. Doch das Gegenteil ist der Fall:
Wir finden die Farben des lappländischen Herbstes. Prächtige Herbstfarben. Eine wahre Explosion an Farben. Ein spektakuläres Naturphänomen in finnisch Lappland, wenn die Natur in herbstlich warme Farben eintaucht.
Ruska nennen die Finnen den besonderen Herbst in Lappland, wenn die Natur sich in ein gelb-rotes Farbenkleid hüllt, dass es einem den Atem nimmt. Leuchtend gelbe Birkenblätter, die fröhlich im Wind umher tanzen. Rötlich gefärbte, weiche Bänder aus Blaubeer- und Preiselbeersträuchern, die sich aneinander kuscheln, soweit das Auge reicht.
Grünlich schimmernde Felsbrocken, als hätten Riesen im Wald mit Murmeln gespielt, liegen wie zufällig verstreut zwischen den Kiefern und Birken. Als hätte jemand ein riesiges Mosaik ausgelegt. Als hätte die Natur einen dicken Teppich gewebt, um für den Winter vorbereitet zu sein. Ich staune über die Vielfalt und Fülle, die Formationen und die Farbenpracht.
Dazu heult und pfeift der Wind, als wolle er uns vertreiben. Die Luft ist zwar wunderbar klar, fühlt sich jedoch an wie minus zehn Grad. Und zwischendurch ein Vogelzwitschern oder ein Scharren im Laub. Alle und alles bereitet sich auf den nahenden Winter vor.
Ich lege mich auf den weichen Waldboden und versinke in Moos und weichen Blättern. Das ist besser als jedes Boxspringbett in einem Fünf-Sterne-Hotel. Schaue in den Himmel und sehe die dicken Wolken vorüberziehen, als würden sie vor etwas flüchten – oder vielleicht haben sie es heute einfach nur eiliger als sonst.
Wann hast du dich das letzte Mal im Wald auf den Boden gelegt?
Auf der Suche nach der Stille
Ich fühle mich in the middle of nowhere. Kein unangenehmes Gefühl. Eher eines, das einen entschleunigt, auf den Boden zurück bringt, das einen verbindet mit der Natur. In the „middle of nowhere“ und zugleich „now here“. Präsent sein, im Moment sein. Sich genau richtig fühlen, genau da, wo man gerade ist.
Dieser Ort hat Sehnsucht ausgelöst – würde er sie nun aber auch stillen können? Ist das überhaupt die Frage? Vielleicht ist es genau dieses Gefühl, das dieser Ort auslösen kann: in der Gegenwart sein, eins sein mit sich und der Natur, sich spüren, sich genau richtig fühlen in diesem einen Moment: nowhere and now here.
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